SG Oldenburg

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Zitieren als:
SG Oldenburg, Beschluss vom 09.05.2006 - S 21 AY 37/06 ER - asyl.net: M8457
https://www.asyl.net/rsdb/M8457
Leitsatz:

Grundsätzlich schließt eine mögliche freiwillige Ausreise Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG aus.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Rechtsmissbrauch, Aufenthaltsdauer, freiwillige Ausreise, Serbien und Montenegro, Roma, Kosovo, Mitwirkungspflichten, Ausreisepflicht, Duldung, Abschiebungsstopp
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Grundsätzlich schließt eine mögliche freiwillige Ausreise Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG aus.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Antragsteller haben danach im vorliegenden Verfahren einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da ihnen zum gegenwärtigen und für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit den Regelungen des SGB XII voraussichtlich nicht zusteht. Zwar kann nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte von einem Rechtsmissbrauch erst dann ausgegangen werden, wenn ein Ausländer versucht, eine Rechtsposition unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu erlangen und auszunutzen, etwa durch falsche Angaben, um einer Abschiebung zu entgehen und so den Aufenthalt zu verlängern, was in den Fällen zu bejahen ist, in denen eine falsche Identität vorgespiegelt wird oder wahrheitswidrige Angaben zur Herkunft gemacht werden, beispielsweise so genannte Scheinehen vorgetäuscht oder zwecks Erlangung einer rechtswidrigen Duldung bei der Beschaffung der erforderlichen Heimreisepapiere nicht mitgewirkt bzw. vorhandene Reisepapiere und die Identität belegende Unterlagen zurückgehalten oder gar vernichtet werden (vgl. hierzu grds. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2003 - 5 C 32/02 - und z. B. SG Hannover Beschluss von 8. Februar 2005 - S 51 AY 12/05 ER -; SG Lüneburg, Beschluss vom 17. Juni 2005 - S 27 AY 17/05 ER -; Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 2 AsylbLG Rdz. 3).

Ein derartiger Missbrauchstatbestand ist entsprechend der Rechtsprechung der erkennenden Kammer auch im vorliegenden Fall aber bereits deshalb anzunehmen, weil die Antragsteller nunmehr jedenfalls seit dem Erlass vom 2. Mai 2005 ausreisepflichtig sind und sich nicht hinreichend um die Erlangung von Heimreisepapieren und Durchführung ihrer Ausreise bemüht haben. Zudem besteht in Niedersachsen eben seit Mai 2005 kein Abschiebestopp selbst für Angehörige der Volksgruppe der Roma mehr, vielmehr ist das Land Niedersachsen um eine zwangsweise Rückführung auch der nicht zur freiwilligen Ausreise bereiten Roma und Ashkali aus dem Kosovo/Serbien bestrebt; tatsächlich sind bislang vorrangig Personen nach strafgerichtlichen Verurteilungen abgeschoben worden, weil die Rückführungskapazitäten in den Kosovo sehr begrenzt sind und ein erhebliches öffentliches Interesse an der Abschiebung Straffälliger bejaht worden ist. Die wiederholt von Antragstellern gegenüber Ausländerbehörden geäußerten Aufforderungen, sich um Einreisepapiere zu bemühen und freiwillig ausreisen zu wollen, ohne dass dies in der Vergangenheit geschehen ist, belegt den Rechtsmissbrauch im Abs. 2 AsylbLG hinreichend. Grundsätzlich zumutbar ist danach eine freiwillige Ausreise, wenn eine Rückkehr ins das Herkunftsland technisch möglich ist, insbesondere das Verhalten der Behörden des Herkunftslandes für die unterlassene Rückkehr nicht ursächlich ist. So gestalten sich die Verhältnisse im vorliegenden Fall in Bezug auf die Antragsteller.

Grundsätzlich beurteilt die erkennende Kammer die rechtlichen Verhältnisse insoweit gegenüber dem Urteil des 7. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20. Dezember 2005 - L 7 AY 51/05 - anders. Ein Ausländer, der ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der rechtlich allein maßgeblichen Entscheidungen der zuständigen Ausländerbehörden sowie der zur Überprüfung dieser Entscheidungen berufenen Verwaltungsgerichte nicht in Anspruch nehmen kann, muss - weil er dazu rechtlich verpflichtet ist - die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich verlassen. In Einzelfällen kann der Staat diese Verlassenspflicht nicht vollziehen, weil die Verhältnisse im Herkunftsland dies nicht zulassen. Könnte der Ausländer aber freiwillig ausreisen, begeht er einen permanenten Rechtsverstoß. Die Duldung dient nicht der Sicherung eines Aufenthalts des Ausländers, sondern der Überprüfung seines Aufenthaltsstatus im Bedarfsfall, z. B. polizeilicher Kontrollen etc., relativiert die Ausreisepflicht auch nicht ansatzweise. Zur Durchsetzung der Ausreisepflicht kann der Ausländer deshalb z. B. auch in bestimmte Einrichtungen eingewiesen werden, um die Unterkunftskosten für den Sozialleistungsträger zu vermindern.