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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.05.2006 - A 2 S 1046/05 - asyl.net: M8558
https://www.asyl.net/rsdb/M8558
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Wegfall-der-Umstände-Klausel, Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennungsrichtlinie, allgemeine Gefahr, Baath, Funktionäre, Familienangehörige, Sippenhaft, politische Entwicklung, Sicherheitslage, nichtstaatliche Verfolgung, Erlasslage, zwingende Gründe, Aufenthaltsdauer, Ermessen, Zuwanderungsgesetz, Anwendungszeitpunkt, Rückwirkung, Übergangsregelung, tatsächliche Vollstreckungshindernisse, Aufenthaltserlaubnis, Suspensiveffekt
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; GFK Art. 1 C; RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1 Bst. e; AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 73 Abs. 2a; AufenthG § 60a Abs. 1; AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
Auszüge:

Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht dessen Klage abgewiesen. Der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO; nachfolgend 1.) Auch hat das Bundesamt zu Recht festgestellt, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (jetzt: Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) nicht vorliegen.

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Widerrufsbescheid ist § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung.

a) aa) Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, ZAR 2006, 107 ausgeführt hat, entspricht § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG seinem Inhalt nach der "Beendigungs-" oder "Wegfall-der-Umstände-Klausel" in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 und Nr. 6 S. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -. Danach wollte der Gesetzgeber ersichtlich die materiellen Anforderungen aus der GFK übernehmen und als Widerrufsgründe ausgestalten.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Kann unter "Schutz" im Sinne des Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK nur der Schutz vor Verfolgung und nicht auch Schutz vor allgemeinen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gemeint sein, so ist auch der vom Kläger herangezogenen Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - sog. Qualifikationsrichtlinie - (Amtsblatt Nr. L 304 vom 30.9.2004) keine weitergehende Bedeutung beizumessen. Ungeachtet der Frage, inwieweit einer solchen Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist bereits rechtliche Vorwirkungen beizumessen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.5.2005, VBlBW 2005, 303), kommt der hier einschlägigen Regelung in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie keine andere materielle Bedeutung zu als Art. 1 C Nr. 5 GFK, dessen Wortlaut lediglich wiederholt wird. Vielmehr wird die hier vertretene Auffassung durch den Wortlaut in Art. 11 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie bestätigt, wonach die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung von Absatz 1 Buchst. e und f zu untersuchen haben, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, bei der Prüfung der "Beendigungsklausel" des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in Verb. mit Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK darauf abzustellen, ob in Anbetracht der Veränderungen in dem Verfolgerland ein internationaler Flüchtlingsschutz nicht mehr gerechtfertigt ist, weil die Gründe, die dazu führten, dass eine Person zum Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen.

bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen eines Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft des Klägers im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse im Irak seit der Militäraktion vom 20.3.2003 bejaht. Der Senat folgt der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Sturz des Baath-Regimes unter Saddam Hussein und der anschließende politische Systemwechsel hätten die vom früheren Regime ausgehende Gefahr einer politischen Verfolgung landesweit entfallen lassen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das frühere Regime jemals wieder an die Macht kommen und staatliche Verfolgungsmaßnahmen veranlassen könnte.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass dem Widerruf nicht die Regelung in § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG entgegensteht.

Denn es kann nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Kläger wegen der herausgehobenen Stellung seines Vaters während des Saddam-Regimes bei einer Rückkehr in den Irak politische Verfolgung von kurdischer Seite droht. Nach Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts (Auskunft vom 18.10.2004 an das VG Karlsruhe; vom 31.3.2005 an das VG Braunschweig und vom 31.10.2005 an das VG Bayreuth) gibt es keine Anhaltspunkte für Racheakte an früheren Funktionsträgern des Baath-Regimes, auch wenn privat motivierte Racheakte im Einzelfall jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden können, wenn der ehemalige Repräsentant des früheren Regimes "Blut an den Händen" hat. Keinesfalls werden aber nach der Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts Familienangehörige des Funktionsträgers in etwaige Racheakte einbezogen. Diese Einschätzung teilt das Europäische Zentrum für kurdische Studien in seiner Auskunft vom 17.12.2004 an das VG Köln.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers steht einem Widerruf auch nicht § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG entgegen.

Soweit dieser wegen der derzeitigen Sicherheitslage im Irak eine Rückkehr in sein Heimatland für unzumutbar ansieht, ist dieser Einwand im vorliegenden Zusammenhang rechtlich unerheblich, da § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 1.11.2005, aaO) - der sich der Senat anschließt - keinen Schutz vor allgemeinen Gefahren gewährt und aus dieser Vorschrift keine von den gesetzlichen Voraussetzungen losgelöste Zumutbarkeitskriterien hergeleitet werden können. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, er halte sich seit nunmehr achteinhalb (jetzt neuneinhalb) Jahren im Bundesgebiet auf und habe seit langem "jegliche Brücken" in den Irak abgebrochen. Dieser Umstand begründet nach den obigen Ausführungen schon tatbestandlich keinen Sachverhalt, der eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft in Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG rechtfertigt.

d) Die angefochtene Widerrufsentscheidung des Bundesamts ist auch in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Auch aus der am 1.1.2005 in Kraft getretenen Regelung in § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 oder eine Rücknahme nach Abs. 2 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (Satz 2). Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, so steht eine spätere Entscheidung nach Abs. 1 oder Abs. 2 im Ermessen (Satz 3). Diese Bestimmung findet auf die hier angefochtene - vor dem 1.1.2005 ergangene - Widerrufsentscheidung des Bundesamts (vom 10.12.2003) keine Anwendung.

2. Der Kläger hat auch nicht den gegen die Beklagte hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG.

c) Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht ferner einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG verneint. Der Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG komme nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil werde. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 16.9.2004, aaO, zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG Folgendes ausgeführt: ...

An dieser Beurteilung hält der Senat auch im Hinblick auf die durch das Zuwanderungsgesetz geänderte Rechtslage fest. Zwar ist § 41 AsylVfG durch Art. 3 Nr. 27 des Zuwanderungsgesetzes gestrichen worden, so dass ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG (früher § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG) nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden kann, der Betroffene besitze im Hinblick auf die geltende Erlasslage in gleicher Weise Abschiebungsschutz, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG - mit der Rechtsfolge der gesetzlichen Duldung gem. § 41 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AsylVfG - erreichen könnte. Dennoch kommt eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke im Fall des Klägers hier nicht in Betracht, da er anderweitigen, gleichwertigen Abschiebungsschutz auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage genießt, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anderweitiger Abschiebungsschutz (nur) gleichwertig, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG (jetzt: § 60 a Abs. 1 AufenthG) hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379, 384; insoweit bestätigend BVerwG, Beschluss vom 17.9.2005 - 1 B 13.05 (1 PKH 7.05) -, wonach es bei der Prüfung, ob die ausländerrechtliche Erlasslage einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, nur auf die Schutzwirkung der gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG a.F. oder eines Erlasses nach § 54 AuslG im Hinblick auf eine drohende Abschiebung ankommt). Zwar gibt es derzeit in Baden-Württemberg in Bezug auf den Personenkreis, dem der Kläger angehört, keinen Erlass gem. § 60 a Abs. 1 AufenthG (der dem früheren § 54 AuslG entspricht; vgl. hierzu die Begründung des Gesetzes in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 Abs. 11 AufenthG = jetzt § 60 a AufenthG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (Urteil vom 16.9.2004, aaO), hindert jedoch ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG (jetzt § 60 a Abs. 1 AufenthG), der nicht auf die Gewährung von verfassungsrechtlich gebotenem humanitären Abschiebungsschutz beschränkt ist, auch jede andere ausländerrechtliche Erlasslage ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG), "weil und sofern sie dem einzelnen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, wobei es lediglich darauf ankommt, ob der Erlass im maßgeblichen Zeitpunkt besteht und anwendbar ist" (BVerwGE 114, 379, 385). Dies ist nach Überzeugung des erkennenden Senats hier der Fall. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat auf die gerichtliche Anfrage vom 28.3.2006 zur landesrechtlichen Erlasslage in Bezug auf die Rückführung irakischer Staatsangehöriger unter dem 5.4.2006 (Az.: 4-13-IRK112) Folgendes mitgeteilt: ...

Auch wenn die in diesem Schreiben dargestellte Erlasslage keine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG umfasst, handelt es sich dennoch um eine "andere ausländerrechtliche Erlasslage" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 12.7.2001, aaO), die ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hindert. Dem steht nicht entgegen, dass der Erlass auf der faktischen Undurchführbarkeit von Abschiebungen beruht, da ebenso wie bei einem Erlass nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (aaO) nicht auf die Gewährung von verfassungsrechtlich gebotenem humanitären Abschiebungsschutz beschränkt ist, jede andere ausländerrechtliche Erlasslage ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hindert, weil und sofern sie dem einzelnen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.

Eine solche Sachlage ist hier gegeben, da irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt, bzw. für drei Monate verlängert werden, mithin eine Gleichwertigkeit des Abschiebungsschutzes mit einem solchen nach § 60 a Abs. 1 AufenthG hergestellt ist, welcher eine gewisse Beständigkeit der Aussetzung der Abschiebung in Abhängigkeit von einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder doch jedenfalls der politischen Entschließung umfasst (VG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2005, mitgeteilt in Asylmagazin 3/2006, S. 13 f.). Hat der Kläger somit Abschiebungsschutz, der nicht hinter dem zurücksteht, den er bei Bestehen einer auf § 60 a Abs. 1 AufenthG gestützten vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung erhielte, bedarf es mangels einer verfassungswidrigen Schutzlücke keiner verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG. Dies wäre nur dann erforderlich, wenn der Betroffene sonst gänzlich schutzlos bliebe, d.h., wenn seine Abschiebung in den gefährlichen Zielstaat ohne Eingreifen des Bundesamts oder der Verwaltungsgerichte tatsächlich vollzogen würde (BVerwGE 114, 379, 384). Eine solche Situation ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger bei einem Wegfall des durch die Erlasslage gewährten Abschiebungsschutzes jederzeit unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor dem Bundesamt verlangen kann, da die gerichtlich bestätigte negative Feststellung zu § 60 Abs. 7 AufenthG nur mit dem Inhalt bestandskräftig werden kann, den die letzte verwaltungsgerichtliche Entscheidung zugrunde gelegt hat und bis zu einer Entscheidung des Bundesamts über einen solchen Wiederaufgreifensantrag die Abschiebung nur vollzogen werden darf, wenn dem Kläger zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes gegeben worden ist (BVerwGE 114, 379, 388 unter Verweis auf BVerwGE 110, 74, 80 f.; zur Ermessensreduzierung auf Null bei der Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, wenn der Ausländer im Zielstaat einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.10.2004 - 1 C 15.03 -, BayVBl. 2005, 414).

d) Unabhängig von den obigen Ausführungen kommt im Fall des Klägers eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zur Vermeidung einer Schutz- oder Rechtsschutzlücke auch aus den nachfolgenden Gründen nicht in Betracht: Ein gleichwertiger Schutz vor Abschiebung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (E 114, 379, 385) auch dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt u.a. bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt ist. In dieser rechtlichen Situation befindet sich der Kläger zwar nicht mehr, wenn der mit Bescheid des Landratsamts Ludwigsburg vom 11.7.2005 verfügte Widerruf der dem Kläger auf Grund seiner Rechtsstellung als Flüchtling erteilten, bis 26.11.2006 gültigen Aufenthaltserlaubnis gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG wirksam wird, was dann der Fall ist, wenn die in diesem Bescheid enthaltene aufschiebende Bedingung des "Eintritts der Rechtskraft zum Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10.12.2003" erfüllt ist. Gleichwohl stünde dem Kläger dann die in Nr. 3 des Bescheids vom 11.7.2005 gewährte einmonatige Ausreisefrist nach Eintritt der Rechtskraft der asylverfahrensrechtlichen Widerrufsverfügung zur Verfügung, um gegebenenfalls um Rechtsschutz gegenüber einer beabsichtigten Abschiebung in einen Zielstaat nachzusuchen, in dem er einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde.

Da der Kläger zudem nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung gegen den Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG Widerspruch und Klage eingelegt hat, ist er darüber hinaus durch die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe vor einer Abschiebung geschützt. Zwar lassen Widerspruch und Klage die Wirksamkeit des Widerrufs der Aufenthaltserlaubnis unberührt, da es sich insoweit um einen "sonstigen Verwaltungsakt" im Sinne des § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG handelt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet (Renner, aaO, § 52 AufenthG Rdnr. 9). Die aufschiebende Wirkung hat jedoch zur Folge, dass der Verwaltungsakt nicht vollziehbar ist, d.h. nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann (Renner, aaO, § 84 Rdnr. 4). Ist der Kläger auf Grund der jedenfalls vollzugshemmenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gem. § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG für die Dauer seines gegen den Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis eingeleiteten Rechtsschutzverfahrens vor einer Abschiebung geschützt, und steht deshalb eine Abschiebung des Klägers auch nicht "aktuell an" (BVerwG, Urteil vom 20.10.2004, aaO), so besteht mangels einer mit verfassungs- und menschenrechtlichen Mindeststandards nicht zu vereinbarenden Schutz- bzw. Rechtsschutzlücke auch keine Notwendigkeit für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG.