Das Verwaltungsgericht hat den mit der Klage geltend gemachten Anspruch der Klägerin, das Bundesamt zu verpflichten festzustellen, dass bei ihr die Voraussetzungen § 51 Abs. 1 AuslG - jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG - hinsichtlich Aserbaidschans vorliegen, zu Recht als begründet angesehen.
1. Mit ihren Darlegungen hat die Klägerin auch zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, dass sie aus Aserbaidschan stammt, ihr dort wegen ihrer armenischen Volkszugehörigkeit politische Verfolgung widerfahren ist und noch bei ihrer Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte. Eine zumutbare inländische Zufluchtsmöglichkeit gab es bei der Ausreise der Klägerin in Aserbaidschan nicht und gibt es auch heute nicht und die Klägerin wäre bei einer Rückkehr nach (Stamm-) Aserbaidschan vor erneuter politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher.
Nach der vorgelegten Geburtsurkunde, den Sprach- und den Detailkenntnissen der Klägerin über Aserbaidschan besteht kein Zweifel, dass diese nach beiden Eltern armenische Volkszugehörige ist und sich von ihrer Geburt bis zu ihrer Ausreise in Aserbaidschan aufgehalten hat. Überzeugt ist der Senat nach den glaubhaften Angaben der Klägerin auch davon, dass diese willkürlichen behördlichen Schikanen, Benachteiligungen und insbesondere mehrfachen Inhaftierungen ausgesetzt war, die allein ihrer Volkszugehörigkeit galten.
Gewisse Widersprüche bei den Monate oder Jahre auseinanderliegenden Anhörungen sind durch Übersetzungsungenauigkeiten, eine verunsichernde Anspannung der Klägerin, Erinnerungslücken und auch die einschüchternde Art der Befragung beim Bundesamt ohne weiteres zu erklären.
Diese Beurteilung einer der Klägerin widerfahrenen und noch bei der Ausreise drohenden politischen Verfolgung ist auch vor dem Hintergrund der Situation im Land zutreffend. Selbst wenn man für die Zeit bis zur Ausreise der Klägerin nach der Einschätzung sachkundiger Personen und Stellen (vgl. etwa AA LB vom 9.1.2003 Nr. II. 1. b und Dr. Tessa Savvidis - TS - vom 15.7.2003) annehmen wollte, die erhebliche staatliche und staatlich geduldete Diskriminierung und Verfolgung der Armenier sei zum Teil auf verbreitete Korruption zurückzuführen und könne noch nicht als eine allen Armeniern im Lande drohende Gruppenverfolgung beurteilt werden, liegt bei der allgemein gravierenden Diskriminierung von Armeniern und den zahlreichen Übergriffen auf sie doch die Möglichkeit einer politischen Verfolgung im Einzelfall nahe und ist unter den hier vorliegenden Einzelumständen und der überzeugend glaubhaft gemachten Ereignisse anzunehmen.
Eine zumutbare inländische Zufluchtsmöglichkeit bot sich der Klägerin bei der Ausreise im Jahr 2003 nicht, denn der ihr drohenden politischen Verfolgung hätte sie, weil sie schon wegen ihres Namens und ihrer Sprachkenntnisse als Armenierin zu erkennen war, allenfalls in Berg-Karabach entgehen können. Die Waffenstillstandslinie zwischen (Stamm-) Aserbaidschan und Berg-Karabach war aber nach den schon vom Verwaltungsgericht beigezogenen und insoweit übereinstimmenden Auskünften und Berichten damals - wie übrigens auch heute - nicht oder nur unter Lebensgefahr zu überschreiten, und Berg-Karabach war deshalb für die Klägerin keine zumutbare Zufluchtsmöglichkeit.
Nach den beigezogenen aktuellen Auskünften und Berichten (vgl. etwa Lagebericht der Auswärtigen Amtes vom 29.8.2005) - im Vergleich zu den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Erkenntnissen hat sich keine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergeben - werden Armenier in Aserbaidschan von den Behörden in existenziellen Fragen (Nichtauszahlung von Renten, Nichtrestituierung in von Flüchtlingen belegten Wohnungen, Nichtausstellung von Urkunden oder Pässen, Probleme bei der Anmeldung von Kindern zum Schulbesuch, kein Schutz vor Übergriffen der aserischen Bevölkerung) noch heute als nahezu rechtlos behandelt und in dem Klima von Feindseligkeit und gravierender Diskriminierung liegt die Prognose nahe, dass der Klägerin als ohne weiteres erkennbarer Armenierin politische Verfolgung wiederum mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls steht aber nach der Auskunftslage zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in ihre Heimat vor erneuter politischer Verfolgung insbesondere durch staatliche Stellen nicht hinreichend sicher ist. Weil der Klägerin auch keine zumutbare inländische Fluchtalternative - wie noch zu erörtern ist - offensteht, kann sie schon deshalb Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG beanspruchen.
2. Die Klägerin ist zwar nicht mehr aserbaidschanische Staatsangehörige. Sie hat jedoch auch deshalb Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans, weil sie von ihrer Geburt bis zur Ausreise im Jahr 2003 in diesem Land ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, rechtmäßige aserbaidschanische Staatsangehörige war, allein wegen ihrer armenischen Volkszugehörigkeit ausgebürgert wurde und ihr die Wiedereinreise in das Land ihrer früheren Staatsangehörigkeit und ihres gewöhnlichen Aufenthalts verwehrt wird.
a) Ein Fortbestand ihrer früheren aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit ist nach den beigezogenen Auskünften und Berichten zu verneinen:
Zunächst war angenommen worden, Aserbaidschan setze die Wohnsitzregelung (ständiger Wohnsitz bei Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes am 1. Oktober 1998) konsequent um (AA vom 11.4.2005). Wenig später wurde erkannt, dass Personen, die beim Verlassen Aserbaidschans die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit innehatten, nach wie vor als aserbaidschanische Staatsangehörige betrachtet wurden (AA vom 27.6.2005). Dieser Eindruck konnte deshalb entstehen, weil in der Tat bei der Mehrheit der in Russland lebenden aserbaidschanischen Staatsangehörigen in der Behördenpraxis ein Fortbestand der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit unterstellt wurde. Diese behördliche Handhabung der Wohnsitzregelung erklärt sich daraus, dass die Anwendung der Wohnsitzregelung im Staatsangehörigkeitsgesetz die Entlassung aller - etwa zwei Millionen - in Russland lebenden aserbaidschanischen Staatsangehörigen aus der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit zur Folge gehabt hätte. Diese Folge war aber hinsichtlich der in Russland oder in anderen Ländern lebenden aserischen Volkszugehörigen unerwünscht und sollte - nach der Intention des Gesetzgebers - vermieden werden. Deshalb stellte sich schließlich heraus, dass die Wohnsitzregelung mit der Folge des Verlusts der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit nur hinsichtlich der nicht mehr in Aserbaidschan lebenden, aber noch gemeldeten armenischen Volkszugehörigen angewendet wurde und wird (AA vom 29.8.2005). Die weiteren Erfahrungen zeigten, dass armenische Volkszugehörige einschließlich der Personen mit armenisch klingendem Namen in den Melderegistern nicht erfasst werden und - unabhängig vom Zeitpunkt des Verlassens Aserbaidschans - aus diesen gelöscht werden (AA vom 12. und 29.12.2005, TKI vom 6.10.2005).
b) Nach dieser Rechtspraxis steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin wegen ihrer feststellbaren armenischen Volkszugehörigkeit - auch wegen ihres armenisch klingenden Namens (die Endung des Familiennamens mit "jan" ist kennzeichnend für armenische Volkszugehörige) und einer daraus erkennbaren armenischen Volkszugehörigkeit - im Melderegister gelöscht wurde und deshalb - unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Ausreise und der Löschung im Melderegister - vom aserbaidschanischen Staat nicht mehr als eigene Staatsangehörige angesehen wird. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall einer versehentlich unterbliebenen Löschung würde diese spätestens aus Anlass eines Antrags auf Ausstellung von Einreisedokumenten mit derselben Folge der Ausbürgerung vorgenommen.
Eine derartige Ausbürgerung, die wegen eines angeblich nicht mehr bestehenden Wohnsitzes in Inland nach der Rechtspraxis in Aserbaidschan allein bei armenischen Volkszugehörigen stattfindet, ist aber nach der "objektiven Gerichtetheit" der Motivation und Gewichtigkeit des Eingriffs als politische Verfolgung zu beurteilen (BVerwG vom 24.10.1995 NVwZ-RR 1996, 602 und vom 7.12.1999 - 9 B 474/99 Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 224).
c) Ist die Klägerin aber politisch Verfolgte, weil sie wegen ihrer armenischen Volkszugehörigkeit ausgebürgert wurde und ihr deshalb die Wiedereinreise in das Land ihrer Geburt, ihrer legitimen früheren Staatsangehörigkeit und ihres ständigen Aufenthalts verweigert wird, dann kommt es nicht mehr darauf an, ob ihr heute eine zumutbare Fluchtalternative in einem Teil des Staatsgebiets - nämlich Berg-Karabach - offensteht, in dem der aserbaidschanische Staat keine Herrschaftsgewalt mehr ausüben kann.
Wer in seiner Heimat durch asylerheblichen Rechtsentzug - Aberkennung der Staatsangehörigkeit und Verweigerung des Rechts auf Wiedereinreise - und nicht hinreichende Sicherheit vor erneuter politischer Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG politisch verfolgt ist, dem kann der sich daraus ergebende Status einschließlich der Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der entsprechenden rechtlichen Begünstigungen nicht mit dem Hinweis darauf verweigert werden, er könne sich mit einiger Aussicht auf Erfolg in einem anderen Land um Asyl, Anerkennung als Flüchtling oder um dessen Staatsangehörigkeit bemühen und schließlich von dort aus in einen Landesteil seines Heimatstaates gelangen, in dem er vor politischer Verfolgung des Heimatstaates sicher ist, weil dieser in diesem Teilbereich keine Herrschaftsgewalt mehr hat. Das gilt auch dann, wenn der Staat des notwendigen Zwischenaufenthalts - Armenien - wie auch das Zielterritorium - Berg-Karabach - eines verfolgungsfreien Aufenthalts sich in ethnischer und sprachlicher Hinsicht wegen der beim Asylbewerber vorhandenen Merkmale als Zuflucht anbieten mag. Die Genfer Flüchtlingskonvention wie auch das nationale Recht gehen nämlich davon aus, dass es Sache des Flüchtlings oder des Asylbewerbers ist, den Zielstaat seiner Flucht selbst zu bestimmen. Aus diesem Grund ist auch nur für die Anerkennung als Asylberechtigter erheblich, ob ein Flüchtling aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist oder auf der Flucht anderweitige Sicherheit vor Verfolgung gefunden hat (Art. 16 a Abs. 2 GG, §§ 26 a, 27 AsylVfG). Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und den Status eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist aber grundsätzlich ohne Bedeutung, ob ein Flüchtling in einem anderen Staat als der Bundesrepublik Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können oder finden kann. Das gilt auch dann, wenn die Flucht über das Gebiet eines solchen Staates geführt hat. Im übrigen wäre ein gesicherter, verfolgungsfreier Daueraufenthalt und die "Staatsangehörigkeit" des völkerrechtlich nicht als Staat anerkannten Gebiets Berg-Karabach kein Ausgleich der asylerheblichen Rechtsbeeinträchtigung durch Entzug der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit und des Rechts auf Wiedereinreise.