VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 09.03.2006 - 5 A 42/05 - asyl.net: M8567
https://www.asyl.net/rsdb/M8567
Leitsatz:

Von den vom Bundesamt nach verlorenem Prozess zu erstattenden Rechtsanwaltskosten ist nicht die im Verwaltungsverfahren entstandende Geschäftsgebühr abzuziehen.

 

Schlagwörter: Kosten, Rechtsanwaltsgebühren, Kostenerstattung, Kostenrecht, Verfahrensgebühr, Geschäftsgebühr, Anrechnung
Normen: RVG § 2 Abs. 2; VwGO § 162 Abs. 2 S. 2; AsylVfG § 11
Auszüge:

Von den vom Bundesamt nach verlorenem Prozess zu erstattenden Rechtsanwaltskosten ist nicht die im Verwaltungsverfahren entstandende Geschäftsgebühr abzuziehen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beklagte wendet sich gegen die Kostenrechnung des Verwaltungsgerichts vom 15. Februar 2006.

Aufgrund der mit Urteil der Einzelrichterin vom 18. Januar 2006 ergangenen Kostengrundentscheidung hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen. In der angefochtenen Kostenrechnung vom 15. Februar 2006 ist zu Recht die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragte 1,3 Verfahrensgebühr gegen die Beklagte angesetzt worden. Die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zustehenden Gebühr bestimmt sich nach § 2 Abs. 2 RVG i.V. mit Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses. Danach ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verwaltungsgerichtsverfahren eine 1,3 Verfahrensgebühr entstanden.

Der Festsetzung der vollen Prozessgebühr steht die Anrechnungsvorschrift der amtlichen Vorbemerkung Nr. 3 Abs. 4 des Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses nicht entgegen (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Kommentar, 16. Aufl. 2004, 2400-2403 VV, Rn. 205). Nach Nr. 3 Abs. 4 der amtlichen Vorbemerkung wird, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach Nummern 2400 bis 2403 entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist im Verwaltungsverfahren in derselben Sache tätig geworden. Damit ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses entstanden. Diese Geschäftsgebühr kann nicht im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden. Eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist nicht gegeben, weil die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten mangels Vorverfahrens (vgl. § 11 AsylVfG) nicht für notwendig erklärt worden ist (siehe Beschluss der Einzelrichterin vom 14. Februar 2006).

"Anrechnung" i.S. der Nr. 3 Abs. 4 der amtlichen Vorbemerkung bedeutet jedoch entgegen der Auffassung des Bundesamtes nicht, dass die Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 von der Verfahrensgebühr abgezogen wird und der unterlegende Beteiligte nur noch eine anteilige Verfahrensgebühr zu zahlen hätte. Vielmehr hat die Anrechnung zur Folge, dass die Geschäftsgebühr in dieser Höhe in der Verfahrensgebühr aufgeht. Das heißt, dass die Festsetzung der Verfahrensgebühr in voller Höhe unberührt bleibt, der Prozessbevollmächtigte aber nur noch die Hälfte bzw. den 0,75 übersteigenden Anteil der Geschäftsgebühr geltend machen kann. So ist auch im Falle des vorher geltenden § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO verfahren worden. Danach war die nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens entstandene Geschäftsgebühr für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren anzurechnen. Die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr ging, soweit es sich um denselben Gegenstand handelte, nach altem Recht also in den nachfolgend entstandenen Verfahrensgebühren auf, die Geschäftsgebühr konnte daher nicht mehr gesondert geltend gemacht werden (KG Berlin, Beschl. v. 20.7.2005 - 1 W 285/05 -, juris). Die Anrechnung nach Nr. 3 Abs. 4 der Vorbemerkung erfolgt nach alledem nicht im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren gegenüber dem unterlegenen Beteiligten, sondern im Verhältnis des Prozessbevollmächtigten zu seinem Mandanten. Denn es ist nicht Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung in Nr. 3 Abs. 4 der Vorbemerkung, die unterlegene Partei gegenüber der obsiegenden Partei zu begünstigen, indem die unterlegene Partei nur noch eine anteilige Verfahrensgebühr zu tragen hätte, die volle Geschäftsgebühr aber, die - wie dargelegt - nicht im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann, im Verhältnis Prozessbevollmächtigter und obsiegenden Kläger bestehen bleiben würde. Vielmehr soll mit dieser Regelung verhindert werden, dass die gleiche Tätigkeit des Anwalts zweimal honoriert wird (vgl. Gerold, u.a., a.a.O., 2400-2403, Rn. 183). Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass dem Prozessbevollmächtigten nach Anrechnung auf die volle Verfahrensgebühr nur noch eine anteilige Geschäftsgebühr zusteht. Die Beklagte leistet mit der 1,3 Verfahrensgebühr mithin keine "doppelte" Vergütung. Die Einzelrichterin folgt aus diesen Gründen nicht der Auffassung des VG Göttingen in seinem Beschluss vom 30. Mai 2005 (2 A 82/05).