OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.06.2006 - 13 W 24/06 - asyl.net: M8606
https://www.asyl.net/rsdb/M8606
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Serbien, Kosovo, Roma, Straftäter, Beschleunigungsgebot, UNMIK, Ablehnung, Ausländerbehörde, Mitteilung, Drei-Monats-Frist
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4
Auszüge:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, in der Sache überwiegend jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der vom Gericht der weiteren Beschwerde vorzunehmenden rechtlichen Überprüfung im wesentlichen stand.

1 Wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, lagen die Voraussetzungen für eine Haftanordnung zur Sicherung der von der Beteiligten beabsichtigten Abschiebung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil der begründete Verdacht bestand, daß sich der Betroffene seiner Abschiebung entziehen würde.

2. Gegen das Beschleunigungsgebot ist, soweit nicht der Zeitraum vom 10. März 2006, 13.00 Uhr, bis zur Haftentlassung in dieser Sache betroffen ist, nicht verstoßen worden. Das Verfahren wurde insoweit durchgehend beschleunigt betrieben.

a) Eine Abschiebung von Angehörigen der Roma in den Kosovo ist erst seit Juli 2005 wieder möglich geworden, wie sich aus dem Runderlaß des Niedersächsischen Innenministerium vom 03. Mai 2005 ergibt.

d) Das Landgericht war nicht gehalten aufzuklären, ob und wann die Beteiligte damit begonnen hatte, Paßersatzmaßnahmen einzuleiten. Paßersatzpapiere waren vorliegend nicht zu beschaffen. Nach Zustimmung der UNMIK reichte das Ausstellen eines Laissez Passer durch die Beteiligte aus. Das Anmelden des Betroffenen bei der UNMIK war erstmals nach Bekanntgabe des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 03. Mai 2005 zulässig (vgl. 2 a).

e) Der Erlaß des Innenministeriums über die Ablehnung des Betroffenen durch UNMIK war bei der Beteiligten am 10. März 2006, 11.40 Uhr eingetroffen, so daß bei einer ordnungsgemäßen Vertretung des bei der Beteiligten erkrankten Mitarbeiters noch am selben Tag von 12.00 Uhr an die Freilassung des Betroffenen hätte veranlaßt werden können und müssen. Beim Vollzug einer Haftanordnung muß dafür gesorgt werden, daß auch bei einer kurzfristigen Erkrankung des Sachbearbeiters eine Vertretung zur Verfügung steht, die die nach Sachlage erforderlichen Anordnungen treffen kann. Die dennoch über den 10. März 2006, 12.00 Uhr, hinaus andauernde Inhaftierung des Beschwerdeführers war demgemäß rechtswidrig.

3. Die Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten war nicht ausgeschlossen, § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG.

a) Die konkrete Möglichkeit der Abschiebung des Betroffenen in den Kosovo innerhalb von drei Monaten zeigt bereits der oa. Runderlaß vom 03. Mai 2005 auf. Der Betroffene erfüllte die von UNMIK aufgestellten Voraussetzungen. Seine Abschiebung lag danach nahe. Ausgeschlossen war sie keinesfalls.

b) Eine Rückführung des Betroffenen in den Kosovo war auch nicht dadurch undurchführbar geworden, daß UNMIK die übersandten Anmeldelisten nicht überprüft hatte, so daß jeweils eine neue Anmeldung durch das Landeskriminalamt erforderlich geworden war. Erneute Anmeldungen und Prüfungen zum jeweiligen monatlichen Kontingent waren zulässig, solange eine Abschiebung nicht sachlich entschieden und nicht abgelehnt worden war, so daß eine Rückführung in jedem neuen Anmeldefall nahe lag, weil die zwischen dem Bund und UNMIK vereinbarten Rücknahmevoraussetzungen unverändert geblieben waren. Diese Sachlage hatte sich erst geändert, nachdem UNMIK eine Rücknahme des Betroffenen abgelehnt hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß eine Abschiebung des Beschwerdeführers unmöglich geworden war.

c) Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer Haftanordnung in die persönliche Freiheit des davon betroffenen Ausländers hat der Gesetzgeber bestimmt, daß die Haft in der Regel die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten soll, eine Haft von sechs Monaten Dauer nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden kann und Abschiebehaft nur um höchstens zwölf Monate verlängert werden darf, wenn der Ausländer seine frühere Abschiebung verhindert hat. Steht im übrigen fest, daß eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten aus vom Ausländer nicht zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden kann, ist eine Haftanordnung überhaupt unzulässig. Dies wird, wie der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen unter Hinweis auf Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, angenommen, wenn beispielsweise die Behörden des Heimatlandes des betroffenen Ausländers die Ausstellung von Ersatzpapieren - aus welchen Gründen auch immer - nur schleppend betreiben. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich hiervon jedoch grundlegend dadurch, daß nach dem Runderlaß des niedersächsischen Innenministerium vom 03. Mai 2005 von September 2005 an nicht sogleich sämtliche Roma, die die näheren Voraussetzungen als verurteilte Straftäter erfüllten, gleichsam auf einen Schlag zurückgenommen werden sollten, sondern stattdessen bundesweit zunächst mit 70 Personen begonnen und von September 2005 an mit einer sich steigernden Zahl fortgesetzt werden sollte. Sinn dieser Regelung war es offensichtlich, die Aufnahmefähigkeit und -verträglichkeit des Kosovo nicht zu überfordern, sondern allmählich den sich entwickelnden Verhältnissen anzupassen. Diese Bedingungen hingen zwar auch nicht vom Willen des betroffenen Ausländers ab, waren jedoch auch keinem Beteiligten zuzurechnen, sondern waren von den äußeren Verhältnissen vorgegebene Tatsachen, die als solche von allen Beteiligten nicht zu beeinflussen und so als gegeben hinzunehmen waren. Dementsprechend lag es nahe, daß nicht alle von den Landeskriminalämtern gemeldete Personen auf einen Schlag zurückgenommen werden konnten. Dennoch war die Abschiebung der nicht berücksichtigten Personen dadurch nicht unzulässig geworden, sondern im Hinblick auf die sich monatlich neu eröffnende Rücknahmemöglichkeit in den Kosovo unverändert möglich und trotz der Schwere des Eingriffs in das Freiheitsrecht des Betroffenen damit zulässig geblieben, solange die Dreimonatsfrist - wie hier - nicht verstrichen war.