OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 02.06.2006 - 22 W 27/06 - asyl.net: M8607
https://www.asyl.net/rsdb/M8607
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Beschwerde, Landgericht, Sachaufklärungspflicht, Duldung, Abschiebungsankündigung, Entziehungsabsicht, Beschleunigungsgebot
Normen: FGG § 27; FGG § 12; FGG § 19; AufenthG § 60a Abs. 5 S. 4; AufenthG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; FGG § 25
Auszüge:

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat in der Sache zumindest einstweilen Erfolg. Die getroffenen Feststellungen sind lückenhaft.

Die angefochtene Entscheidung lässt nicht erkennen, dass das Landgericht seiner Entscheidung einen in diesem Sinne hinreichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Insbesondere lässt sich dem Beschluss des Landgerichts nicht entnehmen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz zustande gekommen ist.

Die Entscheidung der Kammer über die sofortige Beschwerde wird den genannten Anforderungen an den Begründungszwang zu den Voraussetzungen an die Erfordernisse der Abschiebungshaft nicht gerecht.

a) Der angefochtene Beschluss verhält sich zunächst nicht zu der Frage, ob dem Betroffenen, dessen seit Dezember 2003 bestandskräftig angedrohte Abschiebung den getroffenen Feststellungen zufolge bis zum 28. November 2005 und somit für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr vorübergehend ausgesetzt war (Duldung), die Abschiebung nach § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG erneut mindestens einen Monat vorher angekündigt wurde.

b) Lückenhaft sind die vom Landgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens eines Haftgrundes aus § 62 Abs. 1 Satz Nr. 5 AufenthG. Die angefochtene Entscheidung teilt hierzu lediglich mit, der Betroffene habe sich wiederholt zu (im einzelnen näher benannten) Zeiten, in denen seine Abschiebung noch ausgesetzt war, nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufgehalten und habe gegen die räumliche Aufenthaltsbeschränkung verstoßen. Ein solches Verhalten kann ein Indiz für die Annahme einer Entziehungsabsicht sein. Ob bzw. in welcher Weise demgegenüber der Betroffene in dieser Zeit Kontakt zu der Ausländerbehörde gehalten hat, was der Annahme des Haftgrundes aus § 62 Ab s. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entgegenstehen könnte, wird nicht mitgeteilt. Der hiernach mitgeteilte Sachverhalt erlaubt keine zureichende Überprüfung durch das Gerichts der weiteren Beschwerde im Hinblick auf den Haftgrund des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Soweit vor dem Hintergrund der mitgeteilten Feststellungen die Annahme eines Haftgrundes auf § 62 Abs., 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG gestützt werden sollte, fehlt es an der Feststellung, ob der Betroffene auf die etwaig haftrelevanten Folgen seines Tuns seitens der Ausländerbehörde in geeigneter Form hingewiesen wurde.

c) Die angefochtene Entscheidung ist ferner nicht frei von Bedenken, soweit das Landgericht ausführt, dass das in Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot beachtet wurde. Es erscheint bereits fraglich, ob die vom Landgericht insofern vorgenommene Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung den Erfordernissen eigener Sachverhaltsfeststellung im Rahmen von § 25 FGG genügt. Aber selbst unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird nicht in der nach § 27 FGG erforderlichen Weise erkennbar, ob die Haft ohne Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot erging. Dem Senat als Gericht der weiteren Beschwerde erschließt sich neben der (näher ausgeführten) Mitteilung, dass wiederholte Anfragen bei der Botschaft nicht sinnvoll seien, lediglich, dass "mittlerweile der Pass des Betroffenen vorlag" und dass dieser "zeitnah der jordanischen Botschaft übersandt" wurde. Eine Prüfung erlaubende Daten werden hierzu aber nicht mitgeteilt.

d) Ebenfalls nicht mitgeteilt wird, auf welchen konkreten Tatsachen sich die Erwartung stützt, ein Personalersatzpapier aus dem Libanon sei innerhalb eines Zeitraums von drei bis sechs Monaten zu erwarten. In diesem Zusammenhang bleibt auch offen, ob die Abschiebung aus Gründen, die der Betroffenen nicht zu vertreten hat, innerhalb der nächsten drei Monate nicht durchgeführt werden kann, § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG.

Nach alledem fehlen zureichende Feststellungen, die dem Senat eine rechtlich abschließende Überprüfung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft ermöglichen. Hiernach bedarf es weiterer Aufklärung.