VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 17.08.2006 - 4 UZ 1357/06.A - asyl.net: M8613
https://www.asyl.net/rsdb/M8613
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, PKK, ERNK, Mitglieder, nichtpolitisches Verbrechen, Divergenzrüge, Grundsätzliche Bedeutung, terroristische Vereinigung, Grundsätze der Vereinten Nationen, Terrorismus, Situation bei Rückkehr, Kurden, Grenzkontrollen
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 2; AufenthG § 60 Abs. 8; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; StGB § 129a
Auszüge:

Der Zulassungsantrag wird weiterhin auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützt. In diesem Sinne hat die Beklagte keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet.

Sie sieht die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob die Mitgliedschaft in der PKK bereits als schweres nichtpolitisches Verbrechen im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 2, 2. Alt. AufenthG zu bewerten ist.

Die von der Beklagten aufgeworfene Frage bedarf indes nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie sich zum einen unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt und sie sich im Übrigen einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung entzieht. Dementsprechend hat das OVG Rheinland-Pfalz in der von der Beklagten selbst herangezogenen Entscheidung (Urteil vom 06. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, S. 596 bis 600) hervorgehoben, dass der Kläger des dortigen Verfahrens nicht nur in die Terrororganisation DHKP-C strukturell eingebunden war, sondern auch bei seinen vielfältigen Aktivitäten persönlich eigene gemeingefährliche Gewaltbeiträge geleistet hat. Der beschließende Senat hat bezüglich der Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG / § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG in seinem Beschluss vom 18. Januar 2006 - 4 UZ 3559/04.A - folgendes ausgeführt: "Wie die Beklagte selbst aus der einschlägigen Bundestagsdrucksache zutreffend zitiert, soll die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG bewirken, dass Ausländer, die aus schwerwiegenden Gründen schwerster Verbrechen verdächtigt seien, nicht mehr die Rechtsstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhielten. Nach dem erstinstanzlich festgestellten Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass er durch sein Engagement für die PKK vor seiner Einreise in die Bundesrepublik den Tatbestand einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a StGB erfüllt hat. Hierbei handelt es sich um ein Verbrechen, das nach deutschem Strafrecht mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft wird. Auch die Beklagte macht nicht geltend, dass der Kläger darüber hinaus weitere Straftatbestände erfüllt habe. Da ein Verbrechen im deutschen Strafrecht durch ein Mindeststrafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe definiert ist, handelt es sich bei der hier in Rede stehenden einfachen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht um ein besonders schweres Verbrechen im Sinne von § 51 Abs. 3 AuslG, sondern um ein einfaches Verbrechen."

Im Regelfall wird daher bei der "bloßen" Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht von einem schweren, nichtpolitischen Verbrechen, das außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen worden ist, gesprochen werden können.

Soweit die Beklagte sich weiterhin auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage beruft, ob § 60 Abs. 8 S. 2, 3. Alt. AufenthG lediglich dann anwendbar ist, wenn ein Verstoß gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen durch einen Machthaber eines Mitgliedstaates verursacht worden ist, kommt eine Zulassung der Berufung gleichfalls nicht in Betracht, denn diese Frage würden sich in dem angestrebten Berufungsverfahren nicht zwangsläufig stellen. Wie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. März 2006 zu entnehmen ist, ist das erstinstanzliche Gericht bei seiner Entscheidung von den im Schriftsatz vom 20. Februar 2006 vom Kläger vorgebrachten tatsächlichen Umständen betreffend dessen Tätigkeit für die PKK ausgegangen; dies ist von der Beklagten im Zulassungsverfahren nicht angegriffen worden. Danach ist von dem behaupteten Sachverhalt auszugehen, dass der Kläger während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur PKK nicht aktiv an Kampfhandlungen auf Seiten der PKK teilgenommen hat. Mit der Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 26. Oktober 2005 hat das Vorgericht daher die Tätigkeit des Klägers für die PKK als von untergeordneter Bedeutung im Sinne einer "bloßen" Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gewertet. Auf dieser Tatsachengrundlage scheidet ein Ausschluss des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG wegen Handlungen, die den Zielen und Grundsätze der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, von vornherein aus. Wie der Sicherheitsrat in der Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 - zu deren Umsetzung mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz § 51 Abs. 3 AuslG um Satz 2 ergänzt worden ist - ausdrücklich erklärt hat, stehen die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den - in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten - Zielen und Grundsätzen dieser Organisation; dies gilt in gleicher Weise für die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu (s. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn 43).