Flüchtlingsanerkennung für Bruder eines Mitglieds der Arbeiterkommunistischen Partei des Irak (AKPI), der selbst die AKPI unterstützt hat, wegen landesweit drohender Gefahr durch Islamisten.
Flüchtlingsanerkennung für Bruder eines Mitglieds der Arbeiterkommunistischen Partei des Irak (AKPI), der selbst die AKPI unterstützt hat, wegen landesweit drohender Gefahr durch Islamisten.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat widerspruchsfrei und glaubhaft vorgetragen, dass sein Bruder Mitglied der Arbeiterkommunistischen Partei des Irak war und er selbst nach der Hinrichtung seines Bruders im Jahre 1996 für die Partei Hilfstätigkeiten ausgeführt hat, die in der Folge zu seiner Inhaftierung geführt haben.
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass eine Wiederholung der vom Kläger erlittenen Verfolgungsmaßnahmen bzw. das Aufleben gleichartiger Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Kerkuk nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
Mitglieder der AKPI waren nach dem Inhalt der dem Gericht bekannten Erkenntnisquellen aus dem Jahre 2002 (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Eva Savelberg & Siamend Hajo, Gutachten vom 29.04.2002; Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 06.05.2002 an VG Magdeburg) ernsthaft gefährdet, Repressalien und Anschlägen der PUK einerseits und radikal islamischer Gruppen andererseits zum Opfer zu fallen. An dieser Einschätzung hat sich nach Überzeugung des Gerichts durch die zwischenzeitliche Veränderung der allgemeinen politischen Verhältnisse im Irak nichts geändert. Dies gilt insbesondere für die hier nur noch zu überprüfende Gefährdung durch Islamisten als nichtstaatliche Akteure. Die politische Gegnerschaft, ja Feindschaft zwischen der AKPI und islamistischen Gruppen besteht offenkundig unverändert fort. Das von islamistischen Gruppen ausgehende Gefährdungspotential hat sich im Vergleich zum Vorkriegsirak sogar erheblich vergrößert und auf alle Landesteile des Irak ausgeweitet, wie sich u.a. aus der Verschärfung der Situation religiöser Minderheiten und von Frauen ergibt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 24.11.2005 und 29.06.2006; UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, April und Oktober 2005 sowie Gutachten an VG Stuttgart vom 06.09.2005; Anmerkungen von UNHCR zur gegenwärtigen Situation von Frauen im Irak vom April 2005 und November 2005; Europäisches Zentrum für kurdische Studien (Siamend Hajo & Eva Savelsberg), Gutachten vom 07.03.2005 an VG Köln; Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 14.02.2005 an VG Köln; amnesty international, Gutachten vom 29.06.2005 an VG Köln).
Auch Mitglieder politischer Parteien sind von dieser allgegenwärtigen Bedrohung durch islamistische Gruppen betroffen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update Irak vom 15.06.2005).
Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass dem Kläger als Angehörigem eines Mitglieds der AKPI und ehemaligem Sympathisanten dieser Partei weiterhin eine erhebliche Gefahr droht, Opfer von Repressalien oder eines gezielten Anschlags durch militante oppositionelle - insbesondere islamistische - Gruppen zu werden. Dies gilt zumal deshalb, weil er aufgrund seiner vorangegangenen fast einjährigen Inhaftierung in den Jahren 1997 bis 1998 sowohl in seinem persönlichen Umfeld als auch in den Akten der Sicherheitskräfte als Sympathisant der AKPI bekannt sein dürfte.
Vor den drohenden asylerheblichen Eingriffen findet der Kläger auch keinen Schutz durch die irakische Regierung oder dieser nachgeordnete Stellen. Es entspricht übereinstimmender Auskunftslage, dass irakische staatliche Stellen im ehemaligen Zentralirak nicht über die Möglichkeiten effektiver Schutzgewährung verfügen (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil der Kammer vom 10.06.2005 - 18 K 4074/04.A - S. Juris; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 29.06.2006).
Hinzu kommt, dass nach Informationen vom Januar diesen Jahres (vgl. TAZ, "Kirkuk - Die Rückkehr der Kurden" vom 10.01.2006, Asylfact Dokument Nr. 83764) der Polizeichef von Kerkuk, General Scherko Schakir, Mitglied der PUK ist, die ihrerseits seit Jahren Mitglieder und Anhänger der AKPI verfolgt hat. Es kann daher nicht erwartet werden, dass die in Kerkuk zur Zeit maßgebenden Sicherheitskräfte ernsthaft Maßnahmen zum Schutz des Klägers vor islamistischen Übergriffen ergreifen.
Der dargelegten Bedrohung unterliegt der Kläger auch landesweit. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob Mitglieder und/oder Sympathisanten der AKPI möglicherweise auch unmittelbar von der irakischen Regierung und dieser nachgeordnete Stellen oder aber durch die alliierten Truppen Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten haben, was das Gericht nicht ausschließen kann, hier aber aufgrund der obigen Ausführungen keiner weiteren Vertiefung oder gar Sachaufklärung bedarf. Denn jedenfalls der Bedrohung durch islamistische Gruppen wäre der Kläger unterschiedslos in allen Landesteilen des Irak ausgesetzt.
Unabhängig davon könnte der Kläger mangels bestehender familiärer oder sonstiger sozialer Kontakte in anderen Landesteilen des Irak einschließlich der Regionen des Nordirak gegenwärtig und auf absehbare Zeit keine sein Überleben auf Dauer sichernde Existenzgrundlage finden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 24.11.2005 und 29.06.2006; UNHCR, Position zu Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Flüchtlinge, September 2005; zur Situation im Jahre 2002: Europäisches Zentrum für kurdische Studien (Siamend Hajo & Eva Savelsberg), Gutachten vom 05.07.2002 an VG Magdeburg; Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 14.10.2002 an VG Magdeburg).