VG München

Merkliste
Zitieren als:
VG München, Urteil vom 16.05.2006 - M 21 K 06.911 - asyl.net: M8794
https://www.asyl.net/rsdb/M8794
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Untätigkeitsklage, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, Suizidgefahr, Schutz von Ehe und Familie, Beistandsgemeinschaft, Lebensunterhalt, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ermessen
Normen: VwGO § 75; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 6; EMRK Art. 8; AufenthG § 5 Abs. 3 2. Hs.
Auszüge:

Den Klägern sind gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Auszugehen ist zunächst davon, dass gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Ehefrau bzw. Mutter der Kläger wegen Suizidgefährdung in das Heimatland abgeschoben werden darf. Aufgrund der bisherigen Feststellungen spricht aber einiges dafür, dass insoweit ein Vollstreckungshindernis vorliegt und dieses längerfristig fortbestehen wird.

Die Ehefrau bzw. Mutter der Kläger ist auch darauf angewiesen, dass ihr Ehemann und ihre Kinder sie hier in Deutschland unterstützen; es besteht insoweit eine Beistandsgemeinschaft, die den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK genießt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der grundrechtlich verbürgte Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis begründen kann (s. dazu die Kommentierung bei Hailbronner, Ausländerrecht, RdNr. 98 zu § 25 AufenthG). Nach der Rechtsprechung des VGH Baden Württemberg (Beschl. vom 5.7.1999 Az.: 13 S 110/99, InfAuslR 1999, S. 495) ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG bei unzumutbarer Trennung einer familiären Lebensgemeinschaft in Form der Beistandsgemeinschaft ein rechtliches Abschiebungshindernis (zur damaligen Rechtslage, § 55 Abs. 2 AuslG). Der VGH Baden-Württemberg verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, wonach familiäre Bindungen bei der Ermessensentscheidung über den Aufenthalt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zu berücksichtigen sind. In einem ähnlich gelagerten Fall hat das Verwaltungsgericht Stuttgart (Urt. v. 22.11.2005 - 12 K 2469.04, InfAuslR 2006, S. 72) entschieden, dass dem Ehemann und den Kindern einer suizidgefährdeten Ehefrau/Mutter aus Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG zusteht.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass die familiäre Lebensgemeinschaft gegenwärtig nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, da hinsichtlich der Ehefrau und Mutter noch nicht geklärt ist, ob deren Abschiebung zulässig ist. Für das Gericht ist angesichts der besonderen Umstände des Falles weiter offenkundig, dass eine (auch nur vorübergehende) Trennung der Kläger von der Ehefrau bzw. Mutter diesen unzumutbar wäre und mithin ein unverschuldetes rechtliches Abschiebungs- und Ausreisehindernis i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht entgegen, dass das den Klägern zur Verfügung stehende Familieneinkommen unterhalb des Bedarfs nach dem SGB II bzw. XII liegen dürfte und daher davon auszugehen ist, dass deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 AufenthG). Von diesem Erfordernis kann in den Fällen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 Halbsatz 2 AufenthG). Und eine solche Vorgehensweise ist hier auch geboten, da die Kläger tatsächlich keine öffentlichen Mittel in Anspruch nehmen und auch nicht zu erwarten steht, dass dies in absehbarer Zeit bzw. während der Geltungsdauer einer zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis - diese darf zunächst nur für einen Zeitraum von sechs Monaten erteilt werden (§ 26 Abs. 1 AufenthG) - der Fall sein wird.