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VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.10.2006 - 8 K 2575/06 - asyl.net: M9693
https://www.asyl.net/rsdb/M9693
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Wirkungen der Ausweisung, Sperrwirkung, Befristung, Schutz von Ehe und Familie, Privatleben, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK, Integration, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3; EMRK Art. 8; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, insbesondere gem. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat den Antragsteller gem. § 54 AufenthG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgewiesen, ohne - entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 1 S. 2, 3 AufenthG - die Wirkung der Ausweisung zu befristen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. zuletzt Urt. v. 27.10.2005 - 32231/02 - Keles -, InAuslR 2006, S. 3) ist bei einer Entscheidung über eine Ausweisung gem. Art. 8 EMRK zu prüfen, ob sie unbefristet zulässig ist. Auch wenn eine Ausweisung rechtlich zulässig ist, kann im Einzelfall eine unbefristete Ausweisung des Ausländers den nach Art. 8 EMRK zu berücksichtigenden Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen. Dies hätte zur Folge, dass entgegen der Regelung in § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG die Ausweisung schon von vorneherein nur befristet ausgesprochen werden kann. Art. 8 EMRK schützt den Aufenthalt eines Ausländers vor staatlichen Eingriffen, der ein schützenswertes Privatleben durch starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte im Aufnahmestaat besitzt. Welche Qualität die Umstände des Aufenthalts des Ausländers hiernach haben müssen, um hinsichtlich der Frage der Aufenthaltsbeendigung Grundlage eines im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerten Privatlebens zu sein, ist zwar noch nicht eindeutig geklärt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass der in Deutschland geborene und hier aufgewachsene Antragsteller unter diesen Personenkreis fällt und deswegen von einer Befristung der Ausweisung bereits mit der Ausweisungsentscheidung nicht verzichtet werden kann.

Kriterien, die nach der oben genannten Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes bei der Prüfung der Frage, ob bereits eine anfängliche Befristung der Ausweisung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten ist, maßgeblich sind, sind unter anderem die Aufenthaltszeiten des Betroffenen im Gastland, die Frage der Schul- und Berufsausbildung, eines gefestigten Aufenthaltsrechts, die Frage der Bindung zum Heimatland und die Frage der familiären Beziehungen im Gastland. Eine Rolle spielen auch die Schwere der begangenen Straftat, insbesondere die Beteiligung an Drogendelikten sowie das Alter bei der Tatbegehung und die Frage einer Strafaussetzung.

Gemessen an diesen Kriterien spricht Überwiegendes dafür, dass die Ausweisung des Antragstellers bereits in der Ausweisungsverfügung zu befristen war.