Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylVfG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 26. Januar 2007 anzuordnen, ist zulässig, insbesondere ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG nicht versäumt. Denn die nach § 10 Abs. 5 AsylVfG, § 3 Abs. 3 VwZG, § 181 Abs. 1, Abs. 2 ZPO vorgenommene Ersatzzustellung war fehlerhaft und damit unwirksam. Die von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 28. Februar 2007 dargelegte Verfahrensweise wird den Anforderungen des § 181 Abs. 2 ZPO nicht gerecht. Verlangt wird danach von dem Postbediensteten zunächst, den Zustellungsempfänger in seiner Wohnung aufzusuchen (§ 181 Abs. 1 ZPO). Die Wohnung des Asylbewerbers ist nicht die Gemeinschaftsunterkunft als solche, sondern das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft, das ihm zugewiesen wird und in dem er schläft (BVerwG Buchholz 303 § 181 ZPO Nr. 4). Der Postbedienstete muss sich daher zum Zimmer des Asylbewerbers begeben und sich hierzu ggf. die Zimmernummer nennen und den Weg dorthin beschreiben lassen (HessVGH NVwZ 1989, 397; BayVGH vom 22.04.2002 - 15 ZB 01.30409). Dass an den Zimmertüren lediglich Zimmernummern angebracht sind, ändert nichts an dem zunächst notwendigen Versuch, die Sendung dem Empfänger persönlich zu übergeben (§ 170 ZPO). Erst wenn der Asylbewerber in seiner "Wohnung" nicht angetroffen wird, darf die Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 2 ZPO vorgenommen werden. Fehlt es - wie hier - am Versuch einer persönlichen Übergabe, ist die Ersatzzustellung unwirksam (VGH Baden Württemberg, DÖV 1999, 437).
Sofern die von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 28. Februar 2007 geschilderte Zustellungspraxis auf § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG beruht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift bei Zustellungen in Gemeinschaftsunterkünften keine Anwendung finden kann. Der direkten Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG auf Zustellungen in Gemeinschaftsunterkünften steht der Wortlaut der Norm entgegen. Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des Asylverfahrensgesetzes sind nur die (Erst)-Aufnahmeeinrichtungen im Sinne der §§ 44 ff. AsylVfG, nicht hingegen die Gemeinschaftsunterkünfte im Sinne des § 53 AsylVfG (vgl. Schenk, in: Hailbronner, AuslR, RdNr. 78). Für eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG auf Zustellungen in Gemeinschaftsunterkünften fehlt es an einer Rechtsgrundlage, weil § 53 AsylVfG nicht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG verweist.
Der Antrag hat auch sachlich Erfolg, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (§ 36 Abs. 4 AsylVfG).
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG kann das Gericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann als Sonderfall der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine solche geschlechtsspezifische Verfolgung kann nach der Systematik des Gesetzes auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.
Die generell menschenrechtswidrige Situation von Frauen in Afghanistan ist unter Zugrundelegung der erreichbaren Erkenntnismittel offensichtlich. So führt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 13. Juli 2006 zu der geschlechtsspezifischen Menschenrechtslage aus, dass die Prägung der Menschenrechtslage afghanischer Frauen bereits vor dem Taliban-Regime durch häufig orthodoxe Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes immer noch nachwirkt (Lagebericht vom 13.07.2006, S. 20). Die Verwirklichung elementarer Menschenrechte bleibt für den größten Teil afghanischer Frauen weit hinter dem kodifizierten Recht zurück (Lagebericht, ebenda). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt - Frauenrechte zu schützen (Lagebericht vom 13.07.2006, S. 21). Frauen werden traditionell in vielfältiger Hinsicht benachteiligt (vgl. Lagebericht, a.a.O.). In Afghanistan sind sowohl Tötungen von Frauen aufgrund des behaupteten Vorwurfs des Ehebruchs verbreitet wie auch die Bestrafung von Frauen wegen behaupteter, angeblicher Verstöße gegen moralische Vorgaben (vgl. Lagebericht, a.a.O.). Viele Frauen sind wegen sogenannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten (Lagebericht, a.a.O.).
Dies berücksichtigend ist es offenkundig, dass die Antragstellerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan der erheblichen Gefahr geschlechtsspezifischer menschenunwürdiger Misshandlungen ausgesetzt wäre. Das Gericht hält wegen der detaillierten und schlüssigen Angaben anlässlich der Anhörung vom 12. Januar 2006 den Sachvortrag für glaubhaft, dass die Antragstellerin in Afghanistan gezwungen gewesen wäre, den (ehemaligen) Mudjaheddin ... zu heiraten. Es liegt auf der Hand, dass in dem durch Willkür und Gewalt geprägten Land die Antragstellerin von ihrer Familie nicht gegen eine Verfolgung durch einen (früheren) Mudjaheddin-Kommandanten geschützt werden kann und auch eine Schutzgewährung durch die in Afghanistan tätigen "Sicherheitskräfte" nicht erreichbar ist. Es bestünde bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr, dass die Antragstellerin - weil sie sich einer Zwangsheirat widersetzt hat - entweder entführt oder wegen "Unzucht" inhaftiert würde. Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben sind und das Klageverfahren ... gütlich beendet werden sollte.