OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 29.03.2007 - 3 BS 113/06 - asyl.net: M9955
https://www.asyl.net/rsdb/M9955
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis, Fortgeltungsfiktion, Aufenthaltsdauer, Ermessen, Integration, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG 26 Abs. 4; AufenthG § 35; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 102 Abs. 2
Auszüge:

Die Beschwerde hat überwiegend Erfolg. Der Antragsteller hat Gründe vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die bezeichneten Bescheide zu Unrecht abgelehnt hat.

1. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Antragstellers, mit welcher er sein Begehren auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach Maßgabe des § 26 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 35 AufenthG verfolgt, keine Erfolgsaussichten beigemessen.

Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Fortgeltungswirkung ist in § 81 Abs. 4 AufenthG geregelt. Beantragt ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, so gilt nach dieser Vorschrift der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Es ist deshalb unzutreffend, wenn das Verwaltungsgericht ausführt, die Fortgeltungsfiktion bewirke lediglich, dass der weitere Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde "erlaubt" sei. Die so genannte Erlaubnisfiktion ist vielmehr in § 81 Abs. 3 AufenthG bestimmt und gilt für die Fälle, in denen der Ausländer, der sich ohne Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, erstmals die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Erfüllt der Antragsteller somit die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 26 Abs. 4 i.V.m § 35 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, ist über seinen darauf gerichteten Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Widerspruchsbescheid vom 21.4.2006 sind keinerlei Ermessenserwägungen enthalten. Im Bescheid der Antragsgegnerin werden Ermessenserwägungen zwar angestellt, sie lassen jedoch nicht hinreichend erkennen, dass sie an Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift ausgerichtet sind.

Dies greift der Antragsteller zu Recht an und verweist dabei zutreffend auf die Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG, wonach mit dieser Vorschrift Kindern mit einem humanitären Aufenthaltsrecht unter den gleichen Voraussetzungen die Aufenthaltsverfestigung ermöglicht wird, wie sie bei Kindern gelten, die eine zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilte Aufenthaltserlaubnis besitzen, und wonach diese Regelung aus integrationspolitischen Gründen und zur Wahrung des Kindeswohls zwingend erforderlich ist, da diese Kinder ansonsten eine Aufenthaltsverfestigung in vielen Fällen nicht erreichen können (vgl. BT-Drucksache 15/40 S. 80). Zutreffend ist auch sein Hinweis darauf, dass die Niederlassungserlaubnis immer ein eigenständiges Aufenthaltsrecht verleiht, losgelöst von einer ursprünglichen Zweckbindung (vgl. Nr. 9.1.1 Satz 3 der Vorläufigen Anwendungshinweise zu § 9 AufenthG). Demgegenüber sind die bislang zum Ausdruck gebrachten Ermessenserwägungen weitgehend gleichsam rückwärtsgewandt. So wird zu Lasten des Antragstellers ins Feld geführt, dass er über viele Jahre hinweg ausreisepflichtig war. Dies ist aber gemessen am Gesetzeszweck wenig ergiebig, zumal ja die vom Antragsteller erbrachten Duldungszeiten - sie implizieren die Ausreisepflicht - ausdrücklich anrechenbar sind. Die wesentlichen Gesichtspunkte wie Integrationsfähigkeit und -bereitschaft und bereits erbrachte Integrationsbemühungen und -erfolge werden indes nicht in den Blick genommen.