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Zitieren als:
, Bescheid vom 13.04.2007 - 5248695-475 - asyl.net: M9986
https://www.asyl.net/rsdb/M9986
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Kurden, Staatenlose, Tuberkulose, Folgeantrag, Wiederaufgreifensantrag, Drei-Monats-Frist
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; VwVfG § 51 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 3
Auszüge:

Dem Antrag wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Syrien vorliegen.

Zwar wurde die Erkrankung des Antragstellers bereits Mitte 2006 erstmalig festgestellt, begründet wird der Wiederaufgreifensantrag jedoch nicht mit der eigentlichen Erkrankung, sondern vielmehr mit der Finanzierbarkeit der seit März 2007 bestehenden Dauermedikation in Form von Rifampicin und Isozid comp. 300, so dass der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden kann, er habe seine Gründe nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG vorgetragen.

Hinsichtlich der Situation bezüglich einer medizinischen Versorgung staatenloser Kurden aus Syrien wird auf das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien, Berlin, vom 13.11.2005, verwiesen, wonach zwar eine Tuberkulose in Syrien relativ gut behandelt werden kann und auch die benötigten Medikamente grundsätzlich erhältlich seien, wobei eine kostenfreie Behandlung jedoch nur syrischen Staatsangehörigen offen stehe.

Da der Antragsteller im Rahmen des Asylerstverfahrens glaubhaft vortrug, staatenloser Kurde aus Syrien zu sein, käme er folglich nicht in den Genuss einer kostenfreien Behandlung in Syrien.

Hierzu wird auf Seite 2 des genannten Gutachtens des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 13.11.2005 weiterhin ausgeführt, dass Staatenlose in Syrien keinerlei Anspruch auf Leistungen des staatlichen syrischen Gesundheitssystems haben. Dies gelte sowohl für Maktumin (Unregistrierte) als auch für Ajamib (Ausländer), so dass es unwesentlich sei, welcher der beiden Gruppen eine Person angehöre. Jedenfalls würde ein staatenloser Kurde seine gesamte Tuberkulosebehandlung inklusive der Behandlung sämtlicher Folgekrankheiten in Syrien selbst finanzieren müssen. Dies sei zwar grundsätzlich möglich, denn auch private Ärzte würden Tb in Syrien behandeln, insbesondere in Damaskus. Allerdings könne nicht davon ausgegangen werden, dass die meisten Patienten diese Behandlung würden finanzieren können. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein staatenloser Kurde die Kosten der Behandlung seiner Erkrankung finanzieren könne, sei gering. Dies sei maßgeblich darauf zurückzuführen, dass er aufgrund seines aufenthaltsrechtlichen Status als Staatenloser sämtliche Kosten der Behandlung selbst tragen müsse. Zu den Kosten für die Medikamente Rifampicin 600 und Isozid comp. 300 kämen Kosten für regelmäßige Blutbilder (einmal pro Monat ca. 5 Euro) bzw. die regelmäßige Erstellung eines Medikamentenspiegels (alle zwei Monate ca. 20 bis 25 Euro). Hierbei ergäben sich Kosten von etwa 40 bis 50 Euro monatlich, die Behandlung eventueller Komplikationen inklusive Operationen bzw. chronischer Folgekrankheiten nicht eingeschlossen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass z.B. ein Taxifahrer diese Kosten mit seinem Gehalt würde decken können. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass Taxifahrer in Damaskus im Durchschnitt über Einkünfte verfügen würden, die über dem syrischen Pro-Kopf-Einkommen liegen würden, das laut Auswärtigem Amt bei knapp 950 Euro jährlich, mithin 75 bis 80 Euro monatlich liege.

Da sich die Kosten für die ihm verordneten Dauermedikamente Rifampicin 600 auf 93,80 Euro (auch laut Auskunft gängiger Internet-Apotheken) und für lsozid comp. 300 auf 23,61 Euro pro Packung belaufen würden, folglich auf 117,41 Euro (im Monat 108 Euro an Medikamentenkosten), der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Syrien, sollte er überhaupt arbeitsfähig sein, vermutlich nicht einmal die Hälfte dieses Betrages würde verdienen können, war bei ihm somit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Syrien festzustellen.