OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 10.02.1999 - 9 R 18/97 - asyl.net: R3281
https://www.asyl.net/rsdb/R3281
Leitsatz:

1. Das vietnamesische Strafgesetzbuch (VStGB) ist nach dem in Art. 6 Abs. 1 VStGB niedergelegten Personalitätsprinzip auch auf exilpolitische Aktivitäten, die unter die vietnamesischen Staatsschutzdelikte fallen, anwendbar.

2. Das mit Vietnam abgeschlossene Reintegrationsabkommen und das Rückübernahmeabkommen enthalten keine Straffreiheitsgarantie für zurückkehrende Vietnamesen, soweit es nicht um das illegale Verlassen Vietnams bzw. den ungenehmigten Verbleib im Ausland geht.

3. Bestrafungen auf der Grundlage der vietnamesischen Staatsschutzdelikte erfolgen willkürlich unter Verletzung der Menschenrechte und dienen dazu, andere politische Ansichten zu unterdrücken, so daß eine dahingehende Gefahr im Grundsatz abschiebungsrelevant ist.

4. Eine hervorgehobene, auf Dauer angelegte politisch-oppositionelle Betätigung von Vietnamesen im Ausland wird von vietnamesischen Stellen aufmerksam verfolgt; allerdings ist nicht von einer Erfassung jedweder exilpolitischer Betätigung auszugehen.

5. Die Gefahr einer tatsächlichen Verfolgung auf der Grundlage der Staatsschutzdelikte des VStGB hängt entscheidend von der Öffentlichkeitswirkung der regimekritischen Tätigkeit sowie davon ab, ob sie einen Gesichtsverlust der vietnamesischen Regierung bewirkt. Als Gesichtsverlust eingeschätzt wird dabei nur eine gesteigerte Kritik am System. In den Rahmen der so anzustellenden Gefahrenprognose ist auch einzubeziehen, ob und inwieweit die Auslandsaktivitäten als bloß asyltaktisch motivierte Opposition von Seiten der vietnamesischen Behörden bewertet werden.

(amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Vietnam, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Demonstrationen, Publikationen, Überwachung im Aufnahmeland, Illegale Ausreise, Unerlaubtes Verbleiben im Ausland, Rückübernahmeabkommen, Straffreiheitsgarantie, Situation bei Rückkehr, Strafverfolgung, Staatsschutzdelikte
Normen: VStGB Art. 72; VStGB Art. 73; VStGB Art. 81; VStGB Art. 82; VStGB Art. 99; AuslG § 51 Abs. 1; AsylVfG § 71
Auszüge:

1. Das vietnamesische Strafgesetzbuch (VStGB) ist nach dem in Art. 6 Abs. 1 VStGB niedergelegten Personalitätsprinzip auch auf exilpolitische Aktivitäten, die unter die vietnamesischen Staatsschutzdelikte fallen, anwendbar.

2. Das mit Vietnam abgeschlossene Reintegrationsabkommen und das Rückübernahmeabkommen enthalten keine Straffreiheitsgarantie für zurückkehrende Vietnamesen, soweit es nicht um das illegale Verlassen Vietnams bzw. den ungenehmigten Verbleib im Ausland geht.

3. Bestrafungen auf der Grundlage der vietnamesischen Staatsschutzdelikte erfolgen willkürlich unter Verletzung der Menschenrechte und dienen dazu, andere politische Ansichten zu unterdrücken, so daß eine dahingehende Gefahr im Grundsatz abschiebungsrelevant ist.

4. Eine hervorgehobene, auf Dauer angelegte politisch-oppositionelle Betätigung von Vietnamesen im Ausland wird von vietnamesischen Stellen aufmerksam verfolgt; allerdings ist nicht von einer Erfassung jedweder exilpolitischer Betätigung auszugehen.

5. Die Gefahr einer tatsächlichen Verfolgung auf der Grundlage der Staatsschutzdelikte des VStGB hängt entscheidend von der Öffentlichkeitswirkung der regimekritischen Tätigkeit sowie davon ab, ob sie einen Gesichtsverlust der vietnamesischen Regierung bewirkt. Als Gesichtsverlust eingeschätzt wird dabei nur eine gesteigerte Kritik am System. In den Rahmen der so anzustellenden Gefahrenprognose ist auch einzubeziehen, ob und inwieweit die Auslandsaktivitäten als bloß asyltaktisch motivierte Opposition von Seiten der vietnamesischen Behörden bewertet werden.

(amtliche Leitsätze)