VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.1999 - A 9 S 96/99 - asyl.net: R3696
https://www.asyl.net/rsdb/R3696
Leitsatz:

1. Auch auf einen Asylfolgeantrag hin ist das Bundesamt für die Entscheidung zuständig, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Das gilt unabhängig davon, ob der Asylfolgeantrag zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Das Bundesamt hat über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG von Amts wegen zu entscheiden; eines dahingehenden Antrags des Ausländers bedarf es nicht.

2. Der Ausländer kann allerdings eine erneute sachliche Prüfung nur verlangen, wenn jedenfalls in Ansehung des § 53 AuslG die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Liegen sie in Ansehung eines Sachverhalts nicht vor, der sowohl für den Asylantrag als auch für den Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG relevant wäre, so hindert dies nicht nur die erneute sachliche Prüfung des Asylantrags, sondern - jedenfalls insofern - auch diejenige des Abschiebungsschutzbegehrens. Dessen Prüfung unter anderen Gesichtspunkten bleibt unbenommen.

3. Einreisekontrollen bei abgeschobenen Auslandsrückkehrern, die weder wegen einer Straftat gesucht werden noch vom Militärdienst desertiert sind, führen in Algerien nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.

4. Algerien verfolgt niemanden allein wegen der Stellung eines Asylantrages im Ausland.

5. Übergriffe militanter Islamisten auf Frauen, die sich "westlich tragen", sind dem algerischen Staat nicht zuzurechnen. Im übrigen besteht die Gefahr derartiger Übergriffe jedenfalls in den großen Städten Algeriens heute nur noch entfernt.

6. In Algerien besteht jedenfalls heute und auf absehbare Zeit keine extreme allgemeine Gefahrenlage. (amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Algerien, Folgeantrag, MDA, Regimegegner, Wiederaufgreifensgründe, Beweismittel, Urkunden, Strafverfolgung, Urkundenfälschung, Abschiebungshindernis, Prüfungskompetenz, Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, mittelbare Verfolgung, Übergriffe, Islamisten, Zurechenbarkeit, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Straftäter, Desertion, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Extreme Gefahrenlage
Normen: AuslG § 53 Abs. 4; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1; AsylVfG § 24 Abs. 2; AsylVfG § 71
Auszüge:

1. Auch auf einen Asylfolgeantrag hin ist das Bundesamt für die Entscheidung zuständig, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Das gilt unabhängig davon, ob der Asylfolgeantrag zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Das Bundesamt hat über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG von Amts wegen zu entscheiden; eines dahingehenden Antrags des Ausländers bedarf es nicht.

2. Der Ausländer kann allerdings eine erneute sachliche Prüfung nur verlangen, wenn jedenfalls in Ansehung des § 53 AuslG die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Liegen sie in Ansehung eines Sachverhalts nicht vor, der sowohl für den Asylantrag als auch für den Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG relevant wäre, so hindert dies nicht nur die erneute sachliche Prüfung des Asylantrags, sondern - jedenfalls insofern - auch diejenige des Abschiebungsschutzbegehrens. Dessen Prüfung unter anderen Gesichtspunkten bleibt unbenommen.

3. Einreisekontrollen bei abgeschobenen Auslandsrückkehrern, die weder wegen einer Straftat gesucht werden noch vom Militärdienst desertiert sind, führen in Algerien nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.

4. Algerien verfolgt niemanden allein wegen der Stellung eines Asylantrages im Ausland.

5. Übergriffe militanter Islamisten auf Frauen, die sich "westlich tragen", sind dem algerischen Staat nicht zuzurechnen. Im übrigen besteht die Gefahr derartiger Übergriffe jedenfalls in den großen Städten Algeriens heute nur noch entfernt.

6. In Algerien besteht jedenfalls heute und auf absehbare Zeit keine extreme allgemeine Gefahrenlage. (amtliche Leitsätze)