OVG Niedersachsen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.07.1999 - 12 M 2997/99 - asyl.net: R3700
https://www.asyl.net/rsdb/R3700
Leitsatz:

Keine Zulässigkeit der Beschwerde bei Verletzung von Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung für Palästinenser aus den sog. 48er-Gebieten.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Saudi-Arabien, Palästinenser, Israel, Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Beschwerdezulassungsantrag, Ernstliche Zweifel, tatsächliche Schwierigkeiten, Grundsätzliche Bedeutung, Verfassungsmäßigkeit, Rechtliches Gehör, Darlegungserfordernis, Identitätstäuschung, Passersatzpapiere, Mitwirkungspflichten
Normen: AsylbLG § 1a Nr. 2
Auszüge:

Der Antragsteller hat nicht mit Erfolg darlegen können, der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit ausgesetzt.

Der Antragsteller macht hierzu geltend, das Verwaltungsgericht habe bei seiner auf die Bestimmung des § 1 a Nr. 2 AsylbLG gestützten ablehnenden Entscheidung einen Sachverhalt zugrundegelegt, der nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche, wobei nicht nachvollziehbar sei, "wie das Gericht an diese falschen Informationen gekommen" sei; er der Antragsteller habe nämlich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im Sinne von § 1 a AsylbLG zu vertreten, dass er bis heute nicht in den Besitz von Identitätspapieren gelangt sei, auch verschleiere er seine Identität (als Palästinenser aus den sog. 48er-Gebieten) nicht, vielmehr sei es überhaupt unmöglich, für Palästinenser aus den 48er-Gebieten sich Paßersatzpapiere ausstellen zu lassen. Der Inhalt der Verwaltungsvorgänge und eine Würdigung des bisherigen Verhaltens des Antragstellers ergibt aber - auch zur Überzeugung des Senats -, dass das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, der Antragsteller komme seinen Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung von Paßersatzpapieren nicht nach und habe daher i.S.d. § 1 a Nr. 2 AsylbLG zu vertreten, dass zu seinen Lasten aufenthaltsbeendene Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

Der Antragsteller, der sich durch keinerlei Identitätsdokumente ausgewiesen hat, hat seit seiner ersten Einreise im (...) zu seiner Staatsangehörigkeit und zu seinem Geburtsort häufig wechselnde Angaben gemacht. Zwar hat er sich in den letzten Jahren kontinuierlich als Palästinenser bezeichnet, aber auch insoweit ist bis heute völlig unklar geblieben, wo der Antragsteller tatsächlich im heutigen Staate Israel, in Saudi Arabien oder im Irak geboren ist.

Auch soweit die Identität des Antragstellers durch entsprechende Dokumente geklärt werden könnte, hat es der Antragsteller an der erforderlichen Mitwirkung, auf die er mehrfach hingewiesen worden ist, fehlen lassen. So hat er bis heute Paßersatzpapiere nicht unterzeichnet, vielmehr bei der Anhörung vom 15. Januar 1999 erklärt, er sei nicht bereit einen entsprechenden Antrag für "ein arabisches Land" auszufüllen.

Soweit der Antragsteller für das Bestehen tatsächlicher Schwierigkeiten auf seine Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verweist, fehlt es schon an der hinreichenden Darlegung, weil unklar bleibt, worin nach den (umfangreichen) Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die tatsächlichen Schwierigkeiten bestehen sollen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, anstelle des darlegungspflichtigen Antragstellers die Ausführungen in einem (umfangreichen) Zulassungsantrag bestimmten Zulassungsgründen zuzuordnen.

Wollte man aber das Bestehen tatsächlicher Schwierigkeiten der Behauptung des Antragstellers zuordnen, der Sachverhalt sei vom Verwaltungsgericht unzureichend aufgeklärt worden, so trifft dies nach den obigen Ausführungen gerade nicht zu, vielmehr behauptet der Antragsteller einen Sachverhalt, der tatsächlich so nicht vorgelegen hat.

Soweit der Antragsteller die - von ihm als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete - Frage aufwirft, "ob Palästinenser, die aus dem sog. 48er-Gebiet stammen, eine Möglichkeit haben, in ihre Heimat zurückzukehren", ergibt sich der Mißerfolg des Zulassungsbegehrens auch in bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung daraus, dass mehr als zweifelhaft ist, ob der Antragsteller überhaupt aus dem sog. 48er-Gebiet, also aus dem heutigen Staate Israel stammt. Die bloße, nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Vorfahren des Antragstellers - dass er selbst in Safad/Israel geboren ist, wird nunmehr von dem Antragsteller nicht mehr behauptet - aus dem sog. 48er-Gebiet stammen, vermag eine Entscheidungserheblichkeit, die die Zulassung wegen Grundsätzlichkeit nur rechtfertigen könnte, aber nicht zu begründen.

Auch insoweit der Antragsteller weiter geltend macht, es müsse grundsätzlich geklärt werden, ob es nach § 1 a AsylbLG überhaupt rechtlich, insbesondere verfassungsmäßig, zulässig sei, den Barbetrag des § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG wie in seinem Falle vollständig zu streichen, führt dies nicht auf eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Welche Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und ggf. in welcher Höhe aufgrund der Vorschrift des § 1 a Nr. 2 AsylbLG eingeschränkt werden können, richtet sich nämlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, weshalb die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage, so wie sie formuliert ist, grundsätzlicher Klärung nicht zugänglich ist.

Die Bestimmung des § 1 a Nr. 2 AsylbLG sieht nämlich nicht etwa, wie dies die Fragestellung des Antragstellers nahelegt, vor, dass eine bestimmte Leistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wie der Barbetrag des § 3 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG völlig oder in einem festen Prozentsatz gekürzt wird. Das Gesetz sieht vielmehr allgemein, d.h. ohne Anknüpfung an eine bestimmte Leistung eine einzelfallbezogene Leistungseinschränkung vor, indem es festlegt, die unter § 1 a Nr. 2 AsylbLG fallenden Leistungsberechtigten sollten (nur noch) Hilfe erhalten, "soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist". Ob also der Barbetrag dem Leistungsberechtigten ganz oder anteilig nicht mehr gewährt wird, die übrigen Leistungen somit als unabweisbar gebotene Hilfe anzusehen sind, bemisst sich demnach nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und kann daher nicht grundsätzlich geklärt werden.

Hiervon abgesehen beruht die vom Antragsteller zur Begründung seiner Fragestellung angeführte Argumentation auf einer Verkennung der Reichweite der Anspruchseinschränkung nach § 1 a AsylbLG, so dass sich auch von daher eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verbieten würde. Auch wenn einem Leistungsberechtigten wie hier dem Antragsteller im Rahmen einer Leistungseinschränkung nach § 1 a Nr. 1 AsylbLG der monatliche Barbetrag gem. § 3 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG nicht gewährt wird, hat dies nicht zur Folge, dass er nunmehr nortwendige persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (zur Abdeckung dieser Bedürfnisse wird der Barbetrag monatlich im Voraus gewährt) nicht mehr befriedigen könnte. Er ist vielmehr dann darauf angewiesen, für einen bestimmten notwendigen Bedarf, diesen konkret nachzuweisen und insoweit einen hierauf bezogenen Antrag zur Bedarfsdeckung zu stellen. Ergibt sich, dass dieser Bedarf wie etwa die notwendige Reise zu einem Arzt unabweisbar ist, gehört dieser Bedarf damit zur unabweisbar gebotenen Hilfe mit der Folge, dass der Leistungsberechtigte einen Anspruch auf Bedarfsdeckung hat. Es kann daher keine Rede davon sein, ein Leistungsberechtigter, der nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG von der Gewährung des Barbetrages ausgeschlossen ist, werde verfassungswidrig zum Objekt staatlichen Handelns gemacht und sei etwa gezwungen "schwarz" zu fahren. Hiervon abgesehen kann in der Regelung des § 1 a AsylbLG und in der nach dieser Vorschrift möglicherweise auszusprechenden Nicht-Gewährung des Barbetrages schon deshalb ein Verstoß gegen die Menschenwürde nicht gesehen werden, weil es der in § 1 a Nr. 2 AsylbLG angesprochene Leistungsberechtigte, an dessen eigenes Verhalten die Vorschrift anknüpft, selbst in der Hand hat, beispielsweise durch eine nunmehr ernsthafte Mitwirkung an der Beschaffung von Paßersatzpapieren oder die Offenbarung seiner wahren Identität die Leistungseinschränkung wieder rückgängig zu machen.