OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.06.1999 - 10 A 11424/98.OVG - asyl.net: R4058
https://www.asyl.net/rsdb/R4058
Leitsatz:

Die Verfolgungsgefährdung türkischer Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit wegen exilpolitischer Aktivitäten im Rahmen der Rückkehrkontrollen an den Grenzen der Türkei lässt sich nur anhand einer sorgfältigen Würdigung und Gewichtung der konkreten Umstände des Einzelfalles bestimmen (Zusammenfassung und Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung).

Schlagwörter: Türkei, Kurden, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, MED-TV, Medienberichterstattung, Familienangehörige, Cousins, PKK, Sippenhaft, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Interne Fluchtalternative, Politische Entwicklung, Öcalan
Normen: AuslG § 51 Abs. 1, AuslG § 53
Auszüge:

Die Verfolgungsgefährdung türkischer Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit wegen exilpolitischer Aktivitäten im Rahmen der Rückkehrkontrollen an den Grenzen der Türkei läßt sich nur anhand einer sorgfältigen Würdigung und Gewichtung der konkreten Umstände des Einzelfalles bestimmen (Zusammenfassung und Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung).

Hiernach kann politische Verfolgung wegen eines an ihrer Person auf Seiten der türkischen Sicherheitskräfte begründeten weitergehenden Interesses zwar auch solchen Kurden drohen, die ohne politische Exponiertheit durch ihre regelmäßige und langjährige Übernahme unterschiedlicher Aufgaben in ihrem Umfeld aber auch darüber hinaus als verläßliche Aktivisten einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben; hierzu rechnen indes grundsätzlich nicht Mitläufer an prokurdischen Veranstaltungen, Teilnehmer an Großveranstaltungen oder an weitab von ihrem Wohnort durchgeführten Aktionen sowie Helfer bei der Organisation des äußeren Ablaufs von solchen Veranstaltungen etwa durch den Verkauf von Getränken oder aber auch durch die gelegentliche Übernahme einfacher Ordnungsfunktionen und sonstiger Hilfsdienste wie der Verteilung von Flugblättern oder der Betreuung von Informationsständen. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn ein derartiges Engagement zum Gegenstand einer Berichterstattung in den Medien gemacht worden ist (hier: Einzelfall eines türkischen Asylbewerbers kurdischer Volkszugehörigkeit, der als einfacher Teilnehmer an einer prokurdischen Großveranstaltung zugegen war und aufgrund von Fernsehaufnahmen des kurdischen Senders MED-TV durch die Dorfschützer in seinem Heimatdorf identifiziert worden ist).

Die jüngste innenpolitische Entwicklung in der Türkei (Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan, Repressionen gegen HADEP-Anhänger im Vorfeld der Wahlen vom April 1999) hat zu keiner Erhöhung der Verfolgungsgefährdung von Kurden geführt; dies gilt sowohl mit Blick auf das für türkische Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit im Rahmen der Rückkehrkontrollen bestehende Verfolgungsrisiko als auch mit Blick auf die für Kurden aus den angestammten Siedlungsgebieten vom Senat in ständiger Rechtsprechung angenommene inländische Fluchtalternative in der Westtürkei.