OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 28.10.1999 - 11 L 286/99 - asyl.net: R5363
https://www.asyl.net/rsdb/R5363
Leitsatz:

Bei der zweiten Alternative des § 51 Abs. 3 AuslG kann eine Gefahr für die Allgemeinheit nicht allein deswegen angenommen werden, weil der Ausländer wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist, sondern es muß zusätzlich eine Wiederholungsgefahr festgestellt werden. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Türkei, Kurden, Jesiden, Gruppenverfolgung, Mittelbare Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, Zurechenbarkeit, Religiös motivierte Verfolgung, Moslems, Religion, Glaubwürdigkeit, Interne Fluchtalternative, Existenzminimum, Asylausschluss, Straftäter, Jugendstrafe, schwerwiegende Gründe, Auslegung, Wiederholungsgefahr
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 3
Auszüge:

Bei der zweiten Alternative des § 51 Abs. 3 AuslG kann eine Gefahr für die Allgemeinheit nicht allein deswegen angenommen werden, weil der Ausländer wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist, sondern es muß zusätzlich eine Wiederholungsgefahr festgestellt werden. (amtlicher Leitsatz)

Den Gesetzgebungsmaterialien läßt sich nicht eindeutig entnehmen, dass es der Wille des Gesetzgebers war, mit der Neufassung des § 51 Abs. 3 AuslG das durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung eingeführte, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.

Der Kläger unterliegt in der Türkei als religiös geprägter Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden einer mittelbar dem türkischen Staat zurechenbaren asylrelevanten Gruppenverfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats seit dem Grundsatzurteil vom 28. Januar 1993 (11 L 513/89) sind glaubensgebundene Yeziden im Südosten der Türkei zumindest seit 1988/89 einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt, ohne daß ihnen eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Aus den neueren in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ergibt sich, dass sich für die Yeziden die fluchtbegründenden Umstände weiter verschlechtert haben und die Abwanderung aus ihren angestammten Siedlungsgebieten anhält. Die im Südosten verbliebenen, meist älteren Yeziden können mangels Schutz durch Glaubensgenossen den Übergriffen der moslemischen Bewohner immer weniger Stand halten. Diese Rechtsprechung kommt dem Kläger zugute, weil er Angehöriger der yezidischen Glaubensgemeinschaft ist und nach den Geboten seiner Religion lebt.