OVG Sachsen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Sachsen, Urteil vom 25.01.2000 - A 4 B 4114/97 - asyl.net: R5875
https://www.asyl.net/rsdb/R5875
Leitsatz:

1. Zu der Gefährdung eines Rückkehrers nach Sri Lanka, dei der Einreise in sein Heimatland und bei seinem Aufenthalt in Colombo der Folter und sonstigen Menschenrechtsverletzungen unterworfen zu sein .

2. Folter ist als Exzess einzelner Sicherheitsbeamter nicht der Regierung Sri Lanks zurechenbar.

 

Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, LTTE, Zwangsrekrutierung, Verdacht der Mitgliedschaft, Festnahme, Folter, Familienangehörige, Kämpfer, Sippenhaft, Glaubwürdigkeit, gesteigertes Vorbringen, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Reisedokumente, emergency certificate, Abschiebungshindernis, Menschenrechtsverletzungen, Folter, Zurechenbarkeit, Amtswalterexzesse, Interne Fluchtalternative
Normen: AuslG § 53 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 4
Auszüge:

Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu Unrecht Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 4 AuslG hinsichtlich Sri Lanka gewährt. Ihm droht dort weder die konkrete Gefahr der Folter unterworfen zu werden, noch drohen ihm Menschenrechtsverletzungen i.S.v. § 53 Abs. 4 AuslG.

Der Beigeladene ist bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka keiner konkreten Gefahr der Folter ausgesetzt.

Eine solche konkrete Gefährdung droht nicht bei der Einreise über den Flughafen von Colombo, denn auch angesichts der Kontrollen hierbei ist eine längerfristige Inhaftierung des Beigeladenen und eine damit möglicherweise einhergehende Mißhandlung während der Haft nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Bürger Sri Lankas werden bei ihrer Einreise am Flughafen von Colombo einer eingehenden Überprüfung ihrer Identität unterzogen. Reist der Rückkehrer mit einem gültigen Reisepass oder anderen Identifikationspapieren ein, nimmt diese Überprüfung in aller Regel nur eine kurze Zeitspanne in Anspruch; sie wird von einem Beamten der Einreisebehörde durchgeführt. Da diese Behörde nicht über computergestützte Technologie verfügt, kommt es dabei auch in aller Regel nicht zu einem Fahndungsabgleich. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreffende keinen

Reisepass vorlegen kann, weil er etwa allein über einen sogenannten emergency certificate, der nur zu einer einmaligen Einreise allein nach den Angaben des Betroffenen von der Botschaft erstellt worden ist, verfügt oder wenn sonstige Zweifel an der Identität des Rückkehrers bestehen. In diesem Falle kann es zu weiteren Überprüfungen und gegebenenfalls zu einer Abgleichung mit Fahndungslisten kommen. Der Rückkehrer wird in diesem Falle von den Beamten der Einwanderungsbehörde an Mitarbeiter des Criminal Investigation Department (CID) und des National Intelligence Bureau of Immigration übergeben. Der Betroffene wird dann solange festgehalten, bis seine Identität nachgewiesen werden kann (AA, Lagebericht v. 19.1.1999).

Im Einzelfall kann es dabei zu aufwendigen Nachforschungen und zu einem mehrtägigen Festhalten des Betroffenen kommen; überschreitet die Zeitdauer 24 Stunden, so ist er dem örtlich zuständigen Haftrichter vorzuführen, der über die Frage der vorläufigen Festnahme des Rückkehrers zum Zwecke der Identitätsüberprüfung zu entscheiden hat (AA, Lagebericht v. 19.1.1999). Hierbei werden in aller Regel die Sondervorschriften zur Terroristenbekämpfung nicht angewendet (AA, Auskunft v.

16.11.1998 an VG Hannover).

Besteht allerdings der Verdacht auf Mitgliedschaft in oder Unterstützung der LTTE, so kann es nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften zu einer Inhaftierung kommen (Keller-Kirchhoff, Bericht v. 18.3. 1998 an VG Lüneburg; UNHCR, Stellungnahme v. Juli 1998). Nicht ausreichend hierfür ist jedoch allein die Tatsache, dass der Rückkehrer als abgeschobener Asylbewerber aus dem westlichen Ausland kommt. Insbesondere besteht bei den Sicherheitsbehörden Sri Lankas auch nicht die pauschale Vermutung, Rückkehrer seien im Ausland von der LTTE ausgebildet und würden nach ihrer Rückkehr Sabotageakte ausüben.

Auch die Kenntnis der Sicherheitsbehörden Sri Lankas von der Asylantragstellung führt zu keiner erhöhten Gefährdung des Rückkehrers. In Sri Lanka wird im allgemeinen das Stellen eines Asylantrages als Mittel zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung und zur Arbeitsaufnahme in Europa gewertet (AA, Lagebericht vom 19.1.1999).

Eine besondere individuelle Gefährdung des Beigeladenen, längerfristig inhaftiert und damit gegebenfalls auch mißhandelt zu werden, ist hiernach nicht erkennbar.

Zum einen ist das Vorbringen des Beigeladenen hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals nicht glaubhaft; ein gegen ihn gehegter, auch jetzt noch fortbestehender Verdacht der Sicherheitsbehörden Sri Lankas auf Teilnahme an Kampfhandlungen der LTTE ist für das Gericht damit nicht erkennbar.

Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beigeladene erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die für den Erfolg seines Rechtsschutzbegehrens wesentliche Tatsache seiner aktiven Teilnahme an Kämpfen der LTTE mit Regierungstruppen angegeben und auch darauf hingewiesen hat, er sei den srilankischen Behörden durch ein Foto bekannt. Demgegenüber hat er noch in der Anhörung vor dem Bundesamt nur von - erzwungenen - Bunkervorarbeiten und einem - genauso erzwungenen - Einsatz mit einer Handgranate gesprochen; der Antrag vom 7.10.1994 weist überhaupt nicht auf Schwierigkeiten mit der LTTE hin, sondern machte nur allgemeine Schwierigkeiten geltend. Der Beigeladene hat sein Vorbringen somit der Prozeßsituation angepasst und gesteigert; damit bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seines Vorbringens.

Selbst bei der - wegen mangelnder Koordination zwischen den einzelnen Sicherheitsbehörden (vgl. Keller-Kirchhoff, Berichte v. 22.3.1998 an VG Hannover und v. 20.5.1998 an OVG Saarland; Dr. Wingler, Bericht 4.8.1997 an VG Stuttgart) zumindest in Colombo eher unwahrscheinlichen (hierzu Keller-Kirchhoff, Bericht v. 8.11.1998 an VG Hannover) - Annahme, die srilankischen Sicherheitskräfte wären von den vermeintlichen Aktivitäten des Beigeladenen informiert, würde dieser heute keiner Strafverfolgung mehr ausgesetzt sein. Zwar fällt die Teilnahme an Kampfhandlungen an sich unter die Strafvorschriften der Terrorismusbekämpfung. Angesichts der Tatsache, dass in vielen von der LTTE kontollierten bzw. von ihr infiltrierten Gebieten Sri Lankas weite Teile der Bevölkerung mehr oder minder unter Zwang die LTTE unterstützen und dies den Sicherheitsbehörden auch bekannt ist (vgl. AA Lagebericht vom 19.1.1999), und angesichts der weiteren Tatsache, dass die derzeitige Regierung den Schwerpunkt ihrer Politik nicht auf die Verfolgung zurückliegender, sondern die Verhinderung neuer Straftaten gesetzt hat (vgl. nur UNHCR, Auskunft v. 25.4.1997 an NdsOVG und AA, Auskunft v. 3.2.1998 an VG Stade), hätte der Beigeladene heute keine Strafverfolgung mehr zu befürchten.

Auch im Hinblick auf einen von dem Beigeladenen angebenen Kampfeinsatz eines seiner Brüder und seiner Schwester bei der LTTE gilt nichts anders. Von der Gefahr einer länger andauernden Inhaftierung wegen des bloßen Verwandtschaftsverhältnisses kann regelmäßig nicht ausgegangen werden. In vom Auswärtigen Amt beobachteten Einzelfällen, in denen Verwandte von Personen, die

terroristischer Aktivitäten für die LTTE verdächtigt wurden, festgenommen und in Untersuchungshaft genommen worden sind, erfolgte die Freilassung des Betroffenen, soweit sich ein Verdacht gegen den Betroffenen selbst nicht bestätigte. Die Fälle von Festnahmen mit dem unzulässigen Ziel, dass sich die Verwandten stellen, kommen heute kaum mehr vor.

Auch wenn der Beigeladene nur mit einem - die ungehinderte Einreise ermöglichenden - emergency certificate einreisen sollte, ist für ihn daher kein längerfristiges Festhalten zu befürchten, da es ihm, gegebenenfalls mit Unterstützung seiner Eltern oder sonstiger Verwandter und unter Vorlage von Urkunden, mit denen sich seine Identität nachweisen ließe, ohne weiteres gelingen sollte, die hierin gemachten Angaben zu bestätigen. Diese Urkunden können auch von Deutschland aus besorgt werden (vgl. AA, Auskunft v. 29.10.1999 an VG Greifswald).

Eine konkrete Gefährdung folgt auch nicht aus den häufigen Kontrollen, Razzien,

Hausdurchsuchungen und sonstigen Identitätsüberprüfungen in Colombo, die oftmals mit zeitweiligen Festnahmen einhergehen. Die meisten Festgenommenen werden nach kurzer Zeit wieder freigelassen. In diesem Zusammenhang sind zwar Beeinträchtigungen und Belästigungen möglich, in der Regel wird aber von fairer Behandlung berichtet; Foltermaßnahmen sind nicht bekanntgeworden, zumindest, wenn der Betroffene nicht mit der LTTE in Verbindung gebracht wird.

Die Gefahr der Festnahme bei einer Kontrolle kann durch das Vorweisen ausreichender

Identifikationsdokumente vermindert werden.

Selbst im Falle - einmal unterstellter - konkreter Gefahr von Folter wäre kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 AuslG zu gewähren, denn die Folter wäre als Exzess einzelner Sicherheitsbeamter nicht dem Heimatstaat des Beigeladenen zurechenbar; § 53 Abs. 1 AuslG macht aber die Gewährung von Abschiebungsschutz davon abhängig, ob die hierin erfassten Gefahren von staatlicher Seite aus drohen.

Die Regierung Sri Lankas billigt und duldet möglicherweise während der Haft vereinzelt auftretende Folter nicht; sie hat eine Vielzahl von Schritten unternommen, ihre Anwendung zu unterbinden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.....