BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 7.00 - asyl.net: R9818
https://www.asyl.net/rsdb/R9818
Leitsatz:

Einstellung des Verfahrens wegen der Aufhebung der Feststellung durch das Bundesamt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen.

(leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, Kurden, Nordirak, Abschiebungsschutz, Widerruf, Änderung der Sachlage, Rücknahme, Ergänzende Anwendung, Ermessen, D (A), Verfahrensrecht, Klagefrist, Zustellung, Einschreiben, Zustellungsfiktion
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AsylVfG § 73; VwZG § 2; VwZG § 4 Abs. 1
Auszüge:

Das Berufungsgericht ist ebenso wie das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage nicht verspätet erhoben worden ist, obgleich zwischen Zugang des Widerrufsbescheids und Klageerhebung mehr als zwei Wochen lagen (vgl. § 74 Abs. 1 AsylVfG). Nach § 73 Abs. 5 AsylVfG ist die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes dem Ausländer bzw. seinem Bevollmächtigten "zuzustellen" (vgl. auch § 31 Abs. 1 Satz 2 und § 74 Abs. 1 AsylVfG). Die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) gewählte Art der Bekanntgabe des Widerrufsbescheids wahrt die gesetzlich abschließend bestimmte Form der Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes nicht.

Der Widerspruchsbescheid ist den (früheren) Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Form des 1997 von der Deutschen Post AG eingeführten Einwurf-Einschreibens übermittelt worden. Diese Form des Einschreibens genügt nicht den Anforderungen, die § 2 Abs. 1 VwZG an die Zustellung eines Schriftstücks stellt. Das Einwurf-Einschreiben wird, anders als das frühere Einschreiben, dem das seit 1997 von der Deutschen Post AG angebotene so genannte Übergabe-Einschreiben entspricht, dem Empfangsberechtigten (Adressat oder gesetzlich zugelassener Ersatzempfänger) nicht übergeben, sondern wie normale Briefpost in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen oder in sein Postfach gelegt. Der Postbedienstete vermerkt lediglich intern den Einwurf des Einschreibens. Damit bleibt das Einwurf-Einschreiben in seinen Formerfordernissen entscheidend hinter denen des früheren Einschreibens - dem heutigen Übergabe-Einschreiben - zurück, von dem die gesetzliche Einordnung als anerkannte Zustellungsart in § 2 Abs. 1 VwZG und die daran anknüpfende Zustellungsfiktion nach § 4 Abs. 1 VwZG ausgehen. Zum einen sieht das Einwurf-Einschreiben, anders als das Übergabe-Einschreiben, nicht die schriftliche Empfangsbestätigung des Empfangsberechtigten vor. Es entspricht damit auch nicht den Anforderungen an ein Einschreiben, wie sie in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Post-Universal- dienstleistungsVO vom 15. Dezember 1999 (BGB1 I S. 2418) umschrieben sind. Das Einwurf-Einschreiben verzichtet zum anderen auf die in § 2 Abs. 1 VwZG grundsätzlich für die Zustellung eines Schriftstücks geforderte Übergabe an den Empfangsberechtigten, wie sie das Übergabe-Einschreiben sicherstellt. Das Einwurf-Einschreiben führt demzufolge auch nicht zur Zustellungsfiktion des § 4 Abs. 1 VwZG (ebenso Sadler, a.a.O., § 4 VwZG Rn. 1 a und b m.w.N.). Danach fehlt es an einer wirksamen Zustellung des Widerrufsbescheids; eine Heilung des Mangels kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Zustellung den Beginn der Klagefrist betrifft (§ 9 Abs. 2 VwZG).