OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.09.2000 - 1 M 2888/00 - asyl.net: R9822
https://www.asyl.net/rsdb/R9822
Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen, unter denen eine (unbefristete) Aufenthaltserlaubnis widerrufen werden kann, nachdem der Status als Kontingentflüchtling widerrufen worden war.

Zu den Gesichtspunkten, welche bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sind.

(amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Albaner, Botschaftsflüchtlinge, Kontingentflüchtlinge, Aufenthaltserlaubnis, Unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Widerruf, Sofortvollzug, Ermessen, Integration, Erwerbstätigkeit, Straftaten, Sozialhilfebezug, Vertrauensschutz, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Beschwerdezulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Divergenzrüge, Darlegungserfordernis
Normen: HumHAG § 1; HumHAG § 2b; AuslG § 43 Abs. 1 Nr. 4; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4; VwGO § 80 Abs. 1 S. 1; VwGO § 124 Abs. 1 Nr. 4; VwGO § 146 Abs. 5 S. 3
Auszüge:

Zu den Voraussetzungen, unter denen eine (unbefristete) Aufenthaltserlaubnis widerrufen werden kann, nachdem der Status als Kontingentflüchtling widerrufen worden war.

Zu den Gesichtspunkten, welche bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sind.

(amtliche Leitsätze)

Zu berücksichtigen sind des Weiteren die Ausführungen, welche der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1996 (-13 S 2408/95 -, EZAR 214 Nr. 5; vom Verwaltungsgericht auf Seite 4 oben des Beschlussabdruckes aus JURIS zitiert) gemacht hat. Danach erschließt sich der Zweck der Ermächtigung dieser Vorschrift, welcher die Ermessensausübung zu regieren hat, unmittelbar aus dem Widerrufsgrund selbst. Erlischt die Anerkennung als Asylberechtigter oder als Kontingentflüchtling, ist danach eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts grundsätzlich nicht sachgerecht. Ist der für die Gewährung des Aufenthaltsrechts allein maßgebliche Aufenthaltszweck entfallen, besteht grundsätzlich ein vorrangiges öffentliches Interesse am Widerruf des betreffenden Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde. Das gilt nach den Ausführungen des Bad.-Württ. VGH (a.a.O.) jedoch dann nicht, wenn dem Ausländer aus anderen Gründen Anspruch auf unbegrenzten oder zeitlich begrenzten Aufenthalt zusteht oder aufgrund sonstiger Umstände eine ihm günstige Ermessensentscheidung in Betracht kommt. Als solche sonstige Gründe kommen langjähriger Aufenthalt in der Bundesrepublik, Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse, Sozialhilfebezug und Ähnliches in Betracht.

Das Zulassungsantragsvorbringen zeigt keine Gesichtspunkte auf, welche die grundsätzliche Bedeutsamkeit einer weiteren Auffächerung der sich im Zusammenhang mit § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG stellenden Fragen begründete. Die darin angesprochenen Gesichtspunkte sind vielmehr jeweils im Wesentlichen mit denjenigen identisch, welche das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung - wenngleich in einer dem Antragsgegner nachteiligen Weise - behandelt hat.

Nach der vorstehenden Ausführung braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Zulassungsantrag eventuell aus einem weiteren Grund im Ergebnis ohne Erfolg hätte bleiben müssen. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 25.1.1996 - 2 BvR 2718/95 -, AuAS 1996, 62) wird verschiedentlich (vgl. z.B. OVG Bremen, Beschl. v. 22.6.1998 - 1 BB 129/98 -, JURIS m.w.N.) folgendes entnommen: Wird einem Ausländer eine bereits erteilte (befristete oder unbefristete) Aufenthaltsgenehmigung verkürzt, kann sich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Aufforderung, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, nicht allein schon aus der offensichtlichen Begründetheit des Bescheides ergeben. In einem solchen Fall beansprucht vielmehr der Grundsatz des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben, verstärkt Vorrang. Dementsprechend muss ein öffentliches Interesse gerade daran bestehen, dass der Ausländer sein Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr vom Inland aus betreiben darf, sondern vom Ausland aus betreiben muss. Es spricht einiges dafür, dass weder in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch in dem Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2000 diesem Gesichtspunkt hinreichend Rechnung getragen worden ist.