1. Der nicht eingetragenen Lebenspartnerin eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat und danach zusammen mit seiner Partnerin in den Mitgliedstaat zurückkehrt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, ist die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis zu erleichtern.
2. Die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis muss auf einer eingehenden Untersuchung der persönlichen Umstände der antragstellenden Person beruhen und ist zu begründen.
3. Gegen eine Ablehnungsentscheidung muss ein Rechtsmittel zur Verfügung stehen, bei dessen Einlegung es für das nationale Gericht möglich sein muss, zu überprüfen, ob die ablehnende Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht und ob die Verfahrensgarantien gewahrt wurden. Zu diesen Garantien zählt die Verpflichtung der zuständigen nationalen Behörden, eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände der antragstellenden Person vorzunehmen und jegliche Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts zu begründen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
20 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 AEUV "[j]eder Unionsbürger … das Recht [hat], sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten".
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll die Richtlinie 2004/38 die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das den Unionsbürgern unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV erwächst, erleichtern und bezweckt, dieses Recht zu verstärken (Urteile vom 12. März 2014, O. und B., C-456/12, EU:C:2014:135, Rn. 35, sowie vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 18).
22 Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2004/38 für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.
23 Hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hat der Gerichtshof entschieden, dass sich aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung der Bestimmungen dieser Richtlinie ergibt, dass sie allein die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf, und dass auf sie kein abgeleitetes Recht der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, gestützt werden kann (Urteil vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass der Ausgangsrechtsstreit einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Frau Banger, eine Drittstaatsangehörige, im Vereinigten Königreich betrifft, dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit Herr Rado besitzt, und dass Herr Rado und Frau Banger bei Antragstellung weder verheiratet noch durch eine eingetragene Lebenspartnerschaft verbunden waren, aber seit mehreren Jahren zusammenlebten.
25 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 28 und 29 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gelten jedoch die systematischen und teleologischen Erwägungen, die den Gerichtshof, wie sich aus der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, zu der Entscheidung bewogen, dass auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 kein abgeleitetes Recht der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Aufenthalt in dessen Herkunftsmitgliedstaat gestützt werden kann, auch in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 genannten Personen. Ein Recht eines drittstaatsangehörigen nicht eingetragenen Lebenspartners eines Unionsbürgers darauf, dass der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, seinen Antrag auf Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis erleichtert, kann daher nicht auf die Richtlinie 2004/38 gestützt werden.
26 Im vorliegenden Fall folgt hieraus, dass Frau Banger zwar unter den Begriff "Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 fallen kann; jedoch kann ein Recht von Frau Banger darauf, dass das Vereinigte Königreich ihren Antrag auf Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis erleichtere, nicht auf diese Richtlinie gestützt werden.
27 Gleichwohl hat der Gerichtshof in bestimmten Fällen anerkannt, dass drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers, die aus der Richtlinie 2004/38 kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Unionsbürger besitzt, herleiten können, dennoch auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV die Anerkennung eines solchen Rechts erreichen können (Urteil vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 23).
28 Diese Erwägung ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, wonach sonst der Unionsbürger letztlich davon abgehalten würde, den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zu verlassen, um sein Recht auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV auszuüben, weil er nicht die Gewissheit hätte, in seinem Herkunftsmitgliedstaat ein im Aufnahmemitgliedstaat bei einem tatsächlichen Aufenthalt mit diesem Drittstaatsangehörigen entwickeltes oder gefestigtes Familienleben fortsetzen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. März 2014, O. und B., C-456/12, EU:C:2014:135, Rn. 54, sowie vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 24).
29 Nach dieser Rechtsprechung dürfen die Voraussetzungen für die Gewährung dieses abgeleiteten Aufenthaltsrechts grundsätzlich nicht strenger sein als diejenigen, die die Richtlinie 2004/38 für die Gewährung eines solchen Aufenthaltsrechts an einen Drittstaatsangehörigen vorsieht, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Somit ist diese Richtlinie, auch wenn sie den Fall der Rückkehr eines solchen Unionsbürgers in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, um sich dort aufzuhalten, nicht abdeckt, entsprechend anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. März 2014, O. und B., C-456/12, EU:C:2014:135, Rn. 50 und 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 25).
30 Insoweit ist klarzustellen, dass Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich den Lebenspartner betrifft, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Vorschriften die Einreise und den Aufenthalt eines solchen Lebenspartners erleichtert.
31 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verpflichtet Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 die Mitgliedstaaten nicht dazu, Drittstaatsangehörigen im Sinne dieser Bestimmung ein Recht auf Einreise und Aufenthalt zuzuerkennen, wohl aber dazu, Anträge von Drittstaatsangehörigen im Sinne dieses Artikels gegenüber den Anträgen anderer Drittstaatsangehöriger auf Einreise und Aufenthalt in gewisser Weise bevorzugt zu behandeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2012, Rahman u.a., C-83/11, EU:C:2012:519, Rn. 21).
32 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 46 und 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt die in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung auch im Hinblick auf den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 eingegangen ist. Daher darf ein Drittstaatsangehöriger, der eine solche Beziehung mit einem Unionsbürger eingegangen ist, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in den Mitgliedstaat zurückkehrt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, um sich dort aufzuhalten, bei der Rückkehr dieses Unionsbürgers in den genannten Mitgliedstaat keine weniger günstige Behandlung erfahren, als sie nach der Richtlinie für einen Drittstaatsangehörigen vorgesehen ist, der eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung mit einem Unionsbürger eingegangen ist, der seine Freizügigkeit in anderen Mitgliedstaaten ausübt als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
33 In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ist somit die Richtlinie 2004/38 einschließlich ihres Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Einreise und der Aufenthalt von unter diese Richtlinie fallenden Drittstaatsangehörigen zu erleichtern ist, entsprechend anzuwenden.
34 Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs in Frage gestellt, wonach die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts im Herkunftsmitgliedstaat in Rn. 63 des Urteils vom 12. März 2014, O. und B. (C-456/12, EU:C:2014:135), allein auf diejenigen Drittstaatsangehörigen beschränkt worden sei, die ein "Familienangehöriger" im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 seien. Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Gerichtshof zwar in diesem Urteil entschieden, dass ein Drittstaatsangehöriger, der kein Familienangehöriger ist, im Aufnahmemitgliedstaat kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 oder nach Art. 21 Abs. 1 AEUV hat. Dieses Urteil schließt jedoch nicht die diesem Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung aus, die Einreise und den Aufenthalt eines solchen Drittstaatsangehörigen gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie zu erleichtern.
35 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einen Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, verpflichtet, die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis für den nicht eingetragenen Lebenspartner, der Drittstaatsangehöriger ist und mit dem dieser Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist, zu erleichtern, wenn der Unionsbürger mit seinem Lebenspartner in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückkehrt, um sich dort aufzuhalten, nachdem er sein Recht auf Freizügigkeit gemäß den Bedingungen der Richtlinie 2004/38 ausgeübt hat, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten.
Zur dritten Frage
36 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Entscheidung, mit der eine Aufenthaltserlaubnis für den drittstaatsangehörigen nicht eingetragenen Lebenspartner eines Unionsbürgers, der mit seinem Lebenspartner in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückkehrt, um sich dort aufzuhalten, nachdem er sein Recht auf Freizügigkeit nach den Bedingungen der Richtlinie 2004/38 ausgeübt hat, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, verweigert wird, auf einer eingehenden Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers beruhen muss und zu begründen ist.
37 Wie in Rn. 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, der auf einen Rückkehrfall wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entsprechend anwendbar ist, verpflichtet, Anträge von unter diese Bestimmung fallenden Drittstaatsangehörigen gegenüber den Anträgen anderer Drittstaatsangehöriger auf Einreise und Aufenthalt in gewisser Weise bevorzugt zu behandeln.
38 Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten, um diese Verpflichtung zu erfüllen, nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorsehen müssen, dass Personen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie eine Entscheidung über ihren Antrag erhalten können, die auf einer eingehenden Untersuchung ihrer persönlichen Umstände beruht und im Fall der Ablehnung begründet wird (Urteil vom 5. September 2012, Rahman u. a., C-83/11, EU:C:2012:519, Rn. 22).
39 Im Rahmen dieser Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers hat die zuständige Behörde verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Fall maßgeblich sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2012, Rahman u. a., C-83/11, EU:C:2012:519, Rn. 23).
40 Da die Richtlinie 2004/38 insofern keine genauere Regelung enthält und in ihrem Art. 3 Abs. 2 die Wendung "nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften" verwendet wird, ist festzustellen, dass die einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahl der zu berücksichtigenden Faktoren einen großen Ermessensspielraum haben. Die Mitgliedstaaten haben allerdings dafür Sorge zu tragen, dass ihre Rechts - vorschriften Kriterien enthalten, die sich mit der gewöhnlichen Bedeutung des Ausdrucks "erleichtert" vereinbaren lassen und die dieser Bestimmung nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2012, Rahman u. a., C-83/11, EU:C:2012:519, Rn. 24).
41 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Entscheidung, mit der eine Aufenthaltserlaubnis für den drittstaatsangehörigen nicht eingetragenen Lebenspartner eines Unionsbürgers, der mit seinem Lebenspartner in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückkehrt, um sich dort aufzuhalten, nachdem er sein Recht auf Freizügigkeit gemäß den Bedingungen der Richtlinie 2004/38 ausgeübt hat, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, verweigert wird, auf einer eingehenden Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers beruhen muss und zu begründen ist.
Zur vierten Frage
42 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Vorlageentscheidung das vorlegende Gericht in anderer Zusammensetzung entschieden hat, dass die Verordnung von 2006 den in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannten Personen kein "right of appeal" (Recht auf einen Rechtsbehelf) verleihe. Die vierte Frage ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Das vorlegende Gericht stellt sich also nicht die Frage nach einem etwaigen Fehlen einer gerichtlichen Kontrolle für diese Personen, sondern danach, ob nach der Richtlinie 2004/38 ein Rechtsbehelf vorhanden sein muss, wonach das Gericht eine Überprüfung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht vornehmen kann.
43 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass Drittstaatsangehörigen im Sinne dieser Bestimmung ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen muss, anhand dessen das Gericht eine Überprüfung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht vornehmen kann, um eine Entscheidung anzufechten, mit der ihnen eine Aufenthaltserlaubnis verweigert wird.
44 Nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 finden die Verfahren der Art. 30 und 31 sinngemäß auf jede Entscheidung Anwendung, die die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen beschränkt und nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen wird. Gemäß Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können.
45 Allerdings nennen diese Bestimmungen nicht ausdrücklich die insbesondere in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 angeführten Personen.
46 Wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wird der Begriff "Familienangehörige" in anderen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 in dem Sinne verwendet, dass er auch die in ihrem Art. 3 Abs. 2 genannten Personen umfasst. Insbesondere nennt Art. 10 dieser Richtlinie, der die Ausstellung einer Aufenthaltskarte an "Familienangehörige eines Unionsbürgers" regelt, in seinem Abs. 2 Buchst. e und f die Dokumente, die die Personen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie für die Ausstellung einer solchen Aufenthaltskarte vorlegen müssen. Auch Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 2004/38, der die für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung "an die Familienangehörigen" vorzulegenden Dokumente betrifft, nennt in seinen Buchst. e und f die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Personen.
47 Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach der in Rn. 38 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorsehen, dass die in deren Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Personen eine Entscheidung über ihren Antrag erhalten können, die auf einer eingehenden Untersuchung ihrer persönlichen Umstände beruht und im Fall der Ablehnung begründet wird.
48 Da jedoch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 im Einklang mit den Anforderungen aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgelegt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2013, ZZ, C-300/11, EU:C:2013:363, Rn. 50), müssen diese Personen einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung nach dieser Bestimmung haben, der es ermöglicht, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im Hinblick auf das Unionsrecht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2011, Gaydarov, C-430/10, EU:C:2011:749, Rn. 41).
49 Daher ist davon auszugehen, dass die Verfahrensgarantien nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 auf die in ihrem Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b genannten Personen Anwendung finden.
50 Was den Inhalt dieser Verfahrensgarantien betrifft, hat eine Person im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht, durch ein Gericht überprüfen zu lassen, ob sich die nationale Regelung und deren Anwendung in den Grenzen des von der Richtlinie definierten Ermessensspielraums halten (Urteil vom 5. September 2012, Rahman u. a., C-83/11, EU:C:2012:519, Rn. 25).
51 Bei der gerichtlichen Überprüfung des Ermessensspielraums der zuständigen nationalen Behörden muss das nationale Gericht insbesondere prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Außerdem muss sich die Überprüfung auf die Wahrung der Verfahrensgarantien beziehen, der eine grundlegende Bedeutung zukommt, und die dem Gericht die Prüfung ermöglicht, ob die für die Ausübung des Ermessensspielraums maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (vgl. entsprechend Urteil vom 4. April 2017, Fahimian, C-544/15, EU:C:2017:255, Rn. 45 und 46). Zu diesen Garantien zählt nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 die Verpflichtung der genannten Behörden, eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers vorzunehmen und jegliche Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts zu begründen.
52 Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass den in dieser Bestimmung genannten Drittstaatsangehörigen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen muss, um eine Entscheidung anzufechten, mit der ihnen eine Aufenthaltserlaubnis verweigert wird, nach dessen Einlegung es für das nationale Gericht möglich sein muss, zu überprüfen, ob die ablehnende Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht und ob die Verfahrensgarantien gewahrt wurden. Zu diesen Garantien zählt die Verpflichtung der zuständigen nationalen Behörden, eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers vorzunehmen und jegliche Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts zu begründen. [...]