"Rechnung" für Eigenanteil der Unterbringungskosten in Berliner Aufnahmeeinrichtung rechtswidrig:
1. Schreiben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin, in denen in Aufnahmeeinrichtung untergebrachte Personen zur Zahlung eines Eigenanteils aufgefordert werden, sind Verwaltungsakte.
2. Die Bescheide sind jedenfalls dann rechtswidrig, wenn aus ihnen nicht hervorgeht, worauf sich die geltend gemachte Forderung stützt.
(Leitsätze der Redaktion)
Siehe auch:
[...]
Die Klage hat Erfolg, denn sie ist sowohl zulässig, als auch begründet.
1 . Die Klage die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Mit einer Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Bei den von der Klägerin angegriffenen Handlungen des Beklagten, die jeweils mit „Rechnung" überschrieben worden sind, handelt es sich entgegen der Einschätzung des Beklagten um Verwaltungsakte. [...]
Alle Schreiben rühren von einer Behörde her, nämlich dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten des Beklagten. Es handelt sich auch um Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, denen eine Regelungswirkung zukommt. Maßgebend dafür ist nicht der Wille des Beklagten, sondern der objektive Erklärungsgehalt der Schreiben nach dem Empfängerhorizont. Da es auf die innere Willensbildung der Behörde nicht ankommt, bestand für die Kammer auch kein Anlass, die von dem Beklagten benannte Bedienstete Frau ... zu vernehmen. Die Forderung wird mit der Unterbringung der Klägerin und ihres Kindes in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung des Landes Berlin und dem erzielten Einkommen begründet. Zudem rühren die Schreiben von der Abteilung Leistungsgewährung her. Die Leistungsgewährung ist eine typische öffentlich-rechtliche Tätigkeit. Die Klägerin wird jeweils aufgefordert, einen bestimmten Betrag zu zahlen. Hinweise auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis sind diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Im Gegenteil teilt der Beklagte der Klägerin mit, sie sei in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung des Landes Berlin untergebracht. Das spricht klar gegen eine privatrechtliche Rechtsnatur der geltend gemachten Forderungen. Bei einer Unterbringung in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung stellen sich Geldforderungen, die damit im Zusammenhang stehen, als öffentlich-rechtliche Ansprüche dar. Solche werden typischerweise durch Verwaltungsakte geltend gemacht. Unter diesen Umständen können die Schreiben nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont nur so gedeutet werden, dass es sich um Leistungsbescheide handelt. Gegen das Vorliegen von Verwaltungsakten spricht allein, dass der Beklagte eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt hat. Das aber ist nicht entscheidend. Zusammenfassend handelt es sich mithin bei den angefochtenen Schreiben um Verwaltungsakte, die im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden können.
2. Die Klage ist auch begründet, denn die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der unterschiedlich hergeleitet wird, bedarf jeder belastende Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage. Eine gesetzliche Grundlage für den Erlass der angefochtenen Bescheide, die als Leistungsbescheide belastende Verwaltungsakte sind, ist jedoch nicht ersichtlich. Der Beklagte hat eine solche weder in den Bescheiden noch im Widerspruchsbescheid noch schriftsätzlich im Klageverfahren benannt.
Die angefochtenen Bescheide sind auch deshalb rechtswidrig, weil nicht ersichtlich ist, worauf sich die von dem Beklagten gegen die Klägerin jeweils geltend gemachten Forderungen gründen. Die Bescheide enthalten insofern keine Begründung und keine Herleitung der Forderungen. Diese findet sich auch nicht in dem Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2020. Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18. Februar 2021, mit dem dieser geltend macht, dass ihr Leistungen gewährende Job-Center habe die Unterkunftskosten bereits vollständig übernommen, ist der Beklagte mit Verfügung vom 19. Februar 2021 gebeten worden, dazu Stellung zu nehmen und die Forderungen herzuleiten. Dies hat er mit Schriftsatz vom 1. März ausdrücklich abgelehnt. Der Untersuchungsgrundsatz, der sich aus § 103 SGG ergibt, verpflichtet das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen. Soweit ein Verwaltungsakt wie hier im Wege der reinen Anfechtungsklage angegriffen wird, ist das Gericht nicht verpflichtet, Ermittlungen durchzuführen, um die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes selbst festzustellen (Bundessozialgericht (BSG) vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14, juris, Rn. 15 ff.). [...]