VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 21.04.2022 - 13 L 589/22.A - asyl.net: M30684
https://www.asyl.net/rsdb/m30684
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Dublin-Bescheid wegen fehlender Aufnahmebereitschaft Bulgariens:

Weil Bulgarien schriftlich erklärt hat, derzeit wegen des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine keine Dublin-Überstellungen akzeptieren zu können, steht nicht entsprechend § 34a Abs. 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Es fehlt an der grundsätzlichen Übernahmebereitschaft Bulgariens.

(Leitsätze der Redaktion; beachte jedoch: Erlass/Behördliche Mitteilung vom 25.04.2022 -  asyl.net: M30685; sowie: Übersicht: Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Dublin-Überstellungen vom 01.06.2022)

Schlagwörter: Bulgarien, Dublinverfahren, Übernahmebereitschaft,
Normen: AsylG § 34a Abs. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Die hierauf gestützte Abschiebungsanordnung erweist sich als materiell rechtswidrig. Denn unabhängig davon. ob Bulgarien für die Behandlung der Asylanträge der Antragsteller nach Maßgabe der Dublin III-VO (noch) zuständig ist, steht bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht mehr im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Überstellung nach Bulgarien durchgeführt werden kann.

Voraussetzung hierfür ist, dass eine Überstellung in den jeweiligen Zielstaat nicht nur rechtlich zulässig, sondern zeitnah auch tatsächlich möglich ist. [...]

Diese Feststellung kann zum jetzigen Zeitpunkt bei summarischer Prüfung nicht mehr getroffen werden. Dabei kann dahinstehen, ob mit Blick auf vorübergehende und ggf. noch nicht sicher absehbare Überstellungshindernisse insofern die prognostisch große Wahrscheinlichkeit einer Überstellungsmöglichkeit innerhalb der Überstellungfristen des Art. 29 Dublin III-VO (d.h. regelmäßig binnen sechs Monaten) als ausreichend zu erachten ist. [...]

Denn jedenfalls die grundsätzliche (Wieder)Aufnahmebereitschaft des Zielstaats muss im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nach höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung positiv geklärt sein. Dies ergibt sich sowohl aus dem klaren Wortlaut der Norm ("feststeht"), als auch aus dem Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. [...]

An einer positiv geklärten (Wieder)Aufnahmebereitschaft fehlt es hier unstreitig. Nach Auskunft des Bundesamtes teilten die bulgarischen Behörden am 1. März 2022 der Bundesrepublik Deutschland mit, dass Überstellungen im Rahmen der Dublin III-Verordnung ab sofort zunächst nicht mehr entgegengenommen werden, um den aus dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 resultierenden erheblichen Flüchtlingsbewegungen gerecht zu werden. Allein in dringenden Einzelfällen bleibe eine Überstellung weiterhin möglich. [...]