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VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 02.02.2022 - 5 K 170/20 - asyl.net: M30837
https://www.asyl.net/rsdb/m30837
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für Person aus Afghanistan wegen Konversion zum Christentum:

Für die Frage der drohenden Verfolgung macht es keinen Unterschied, ob eine Konversion zum Christentum aus Überzeugung oder aus asyltaktischen Gründen erfolgt ist. Denn eine derartige Unterscheidung wird auch von den Taliban nicht praktiziert, sondern alle muslimischen Personen, die sich christlich taufen lassen, verfolgt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Afghanistan, Konvertiten, Konversion, Christentum,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung i.S. des § 3 AsylG ausgesetzt sein wird. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht, dass er zum Christentum konvertiert ist. So hat er im gerichtlichen Verfahren eine Kopie der Taufurkunde vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er am 2021 in der Evangelischen Kirche … getauft worden ist. Außerdem hat er ein pfarramtliches Zeugnis der Evangelischen Kirchengemeinde vom … 2021 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er den Taufunterricht der Kirchengemeinde und von ... 2021 den Aufbaukurs des Taufunterrichts besucht hat. [...] Soweit die Beklagte die weiteren Ausführungen im pfarramtlichen Zeugnis vom … 2021 im Zweifel zieht, ist dies für das Gericht ohne Belang. Zum einen ist es für die Frage, ob dem Kläger heute bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in der Bundesrepublik Deutschland vollzogenen Glaubenswechsels eine Verfolgung droht ohne Belang, aus welchen Gründen er Afghanistan verlassen hat oder ob er bereits in Schweden Kontakt zum Christentum hatte. Denn auch wenn seine Angaben gegenüber der Kirchengemeinde ..., die diese offensichtlich ohne weitere Prüfung übernommen hat, von denen gegenüber dem Bundesamt abweichen, ist dies für Frage einer heute drohenden Verfolgung unerheblich. Denn für mögliche Verfolger in Afghanistan ist nicht maßgeblich, welches die tatsächlichen Gründe für das Verlassen von Afghanistan waren, sondern allein der Umstand eines Glaubenswechsels, der nachvollziehbar dargelegt ist. Warum der Kläger die Angaben in der pfarramtlichen Bescheinigungen vom … 2020 nicht schon beim Bundesamt im Rahmen seines Folgeverfahrens geltend gemacht hat, ist auch für das Gericht nicht nachvollziehbar, spielt jedoch für die Glaubhaftigkeit des Glaubenswechsels keine Rolle, da sich insoweit aus den kirchlichen Dokumenten ausreichend deutlich ergibt, dass sich der Kläger dem Christentum zugewandt hat. [...]

Es muss zudem aus Sicht des Gerichts davon ausgegangen werden, dass es für die Frage der Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt für die Frage einer drohenden Verfolgung keinen Unterschied macht, ob die Konversion aus "echter" Überzeugung oder aus asyltaktischen Gründen erfolgt ist. Denn unter Berücksichtigung der aktuellen Informationen steht aus Sicht des Gerichts fest, dass eine derartige Unterscheidung von den Taliban nicht praktiziert wird, sondern alle Muslime, die sich christlich taufen lassen, verfolgt werden. Dabei droht unter Anwendung der Scharia, wie sie in Afghanistan wohl derzeit praktiziert wird, die Gefahr der Todesstrafe. [...]