VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 17.05.2022 - 10 K 5070/19 - asyl.net: M30918
https://www.asyl.net/rsdb/m30918
Leitsatz:

Einreise- und Aufenthaltsverbot einer Ausweisung bedarf Rückkehrentscheidung in bestimmten Zielstaat:

"1. Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG - Rückführungsrichtlinie - am 13.01.2009 und dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 24.12.2010 darf in ihrem Anwendungsbereich nicht mehr offengelassen werden, in welches Land der Betroffene abgeschoben werden soll [...].

2. Der Erlass eine Abschiebungsandrohung darf nur dann erfolgen, wenn auch die Abschiebung selbst rechtlich zulässig ist. Steht der Abschiebung in einen bestimmten Zielstaat auf unabsehbare Zeit die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots entgegen, kann die Abschiebungsandrohung nicht rechtmäßig unter der aufschiebenden Bedingung des vollziehbaren Widerrufs der Feststellung erlassen werden. Denn § 36 Abs. 2 LVwVfG enthält keine allgemeine Ermächtigung der Behörde, nach Ermessen vom Vorliegen oder der genaueren Prüfung zwingender Voraussetzungen abzusehen und stattdessen auf Nebenbestimmungen auszuweichen.

3. Dem Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Zusammenhang mit einer aus Gründen der Gefahrenabwehr erlassenen Ausweisung steht Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG entgegen, wenn mit ihr keine Rückkehrentscheidung einhergeht [...].

4. Kann eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG mangels einer effektiven Rückkehrentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs [...] nicht mit einem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden, kann sich im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG auch die Frage stellen, worin im konkreten Einzelfall das öffentliche Ausweisungsinteresse begründet liegt [...].

5. Kommt einer Ausweisung ohne befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf ihre gefahrenabwehrrechtliche Zielrichtung überhaupt keine zur Gefahrenabwehr oder -verringerung taugliche Wirkung mehr zu, könnte das öffentliche Ausweisungs­interesse deutlich gemindert sein oder gar entfallen. In der Folge ginge dann die nach § 53 Abs. 1 AufenthG auf der Tatbestandsseite vorausgesetzte Abwägung zu Gunsten des Bleibeinteresses des Ausländers aus bzw. die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung entfiele (hier Ausweisungsinteresse angenommen aufgrund des Umstands, dass Ausweisung in der Zukunft – nach Wegfall des Abschiebungsverbots – Grundlage für ein Einreise- und Aufenthaltsverbot sein kann, und im Hinblick auf das generalpräventive Interesse an der Ausweisung)."

(Amtliche Leitsätze; unter Bezug auf:  EuGH, Urteil vom 03.06.2021 - C-546/19 BZ gg. Deutschland - asyl.net: M29712; EuGH, Urteil vom 24.02.2021 - C-673/19 M, A gg. Niederlande - asyl.net: M29402 )

Schlagwörter: Ausweisung, Abschiebungsandrohung, Abschiebungsverbot, Zielstaat, inlandsbezogene Ausweisung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Titelerteilungssperre,
Normen: AufenthG § 53 Abs. 1, AufenthG § 11 Abs. 1 S. 1, RL 2008/115/EG Art. 3 Nr. 6,
Auszüge:

[...]

I.

34 Die mit Bescheid vom 11.05.2022 erlassene Abschiebungsandrohung ist aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35 1. Das Regierungspräsidium Freiburg hat mit Bescheid vom 11.05.2022 unter Ziffer IV. ergänzend zunächst das Folgende verfügt:

36 "Ihnen wird die Abschiebung in einen beliebigen Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, auf Ihre Kosten ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise angedroht. Sie dürfen nicht nach Eritrea abgeschoben werden."

37 Diese Abschiebungsandrohung enthält keine Zielstaatsbestimmung und ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Eine Ausnahme hiervon gilt nach älterer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbestimmung rechtfertigen. [...]

38 Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG - im Folgenden: Rückführungsrichtlinie - am 13.01.2009 bzw. dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 24.12.2010 darf jedoch im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht mehr offengelassen werden, in welches Land der Betroffene abgeschoben werden soll [...].

39 Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass ungeachtet der oben aufgeführten Vorgaben der Rückführungsrichtlinie nach der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof auch nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen (in diesem Sinne bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.06.1996 - 13 S 1281/95 -, juris). Die Staatsangehörigkeit des Klägers ist geklärt. Weder in dem Asylverfahren beim Bundesamt noch im asylrechtlichen Klageverfahren gegen den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war zweifelhaft, dass der Kläger eritreischer Staats - angehöriger ist. Ferner steht ausweislich des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.01.2022 - A 1 K 2305/21 - fest, dass dieser in sein Herkunftsland nicht abgeschoben werden kann. Dementsprechend wäre auch das Bundesamt nicht befugt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). [...]

41 2. Ferner hat das Regierungspräsidium Freiburg im Ergänzungsbescheid vom 11.05.2022 unter Ziffer IV. weiter verfügt:

42 "Für den Fall, dass das durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16.03.2022 festgestellte Abschiebungsverbot in Bezug auf Eritrea vollziehbar widerrufen wird, wird Ihnen die Abschiebung nach Eritrea angedroht. Für diesen Fall werden Sie darauf hingewiesen, dass Sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden können, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist."

43 Diese Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Es ist rechtlich nicht zulässig, eine Abschiebungsandrohung nach Eritrea zu erlassen für "den Fall, dass das durch den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16.03.2022 festgestellte Abschiebungsverbot in Bezug auf Eritrea vollziehbar widerrufen wird".

44 Zwar sind nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG auch bei belastenden Verwaltungsakten Bedingungen möglich. Danach darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. [...] Der Erlass eines Verwaltungsaktes mit einer Nebenbestimmung setzt indes voraus, dass im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung eine Regelung des Entscheidungsgegenstands im Wesentlichen überhaupt fehlerfrei getroffen werden kann (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2001 - 11 S 2374/99 -, juris Rn. 32). Der Erlass einer Abschiebungsandrohung darf nur erfolgen, wenn auch die Abschiebung selbst rechtlich zulässig ist [...]. Gegenwärtig steht der angedrohten Abschiebung nach Eritrea auf unabsehbare Zeit das vom Bundesamt festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte daher eine Abschiebungsandrohung nach Eritrea nicht rechtsfehlerfrei erlassen werden. Das Regierungspräsidium verlagert damit wesentliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen seiner Abschiebungsandrohung auf die getroffene Nebenbestimmung. Dies ist unzulässig [...]. Denn § 36 Abs. 2 LVwVfG enthält keine allgemeine Ermächtigung der Behörde, nach Ermessen vom Vorliegen oder der genaueren Prüfung zwingender Voraussetzungen abzusehen und stattdessen auf Nebenbestimmungen auszuweichen.

45 Die vom Regierungspräsidium Freiburg gewählte Gestaltung der Abschiebungsandrohung ist auch nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 03.06.2021 in Einklang zu bringen. Dieser hat zwar ausgeführt, dass eine Rückkehrentscheidung auch gegen Drittstaatsangehörige ergehen könne, die wegen des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nicht abgeschoben werden dürften, weil der Vollzug der Abschiebung nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 lit. a Rückführungsrichtlinie aufgeschoben werden könne [...]. Ungeachtet der Frage, ob und wie die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs mit seiner früheren Rechtsprechung und der Rückführungsrichtlinie in Einklang zu bringen ist 8...], wird durch die konkrete Gestaltung der Abschiebungsandrohung des Regierungspräsidiums vom 11.05.2022 aber gerade nicht die Abschiebung, also die Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung, d.h. die tatsächliche Verbringung aus dem Mitgliedstaat (Art. 3 Nr. 5 Rückführungsrichtlinie) i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. a Rückführungsrichtlinie aufgeschoben. Vielmehr bedingt die gewählte rechtliche Gestaltung, nämlich die Verbindung mit einer aufschiebenden Bedingung, den Aufschub der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4 Rückführungsrichtlinie selbst. Dies ist in der Richtlinie indes gerade nicht vorgesehen. [...]

II.

49 Das mit Bescheid vom 11.12.2019 unter Ziffer III. angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. [...]

55 Gemäß Art. 3 Nr. 6 Rückführungsrichtlinie geht ein Einreiseverbot "mit einer Rückkehrentscheidung einher". Es stellt damit eine Ergänzung der Rückkehrentscheidung dar [...] und kann ohne eine solche nicht aufrechterhalten werden [...]. In der (deutschen) Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass die Abschiebungsandrohung - und nicht etwa die Ausweisung - als eine Rückkehrentscheidung zu verstehen ist [...].

56 Für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG reicht es dagegen aus, wenn der Ausländer - wie hier - ausgewiesen wurde. Eine Abschiebungsandrohung muss danach nicht erlassen werden.

57 c) Auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nur mit einer Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr verfügt wurde, ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 03.06.2021 - C-546/19 -) am Maßstab der Rückführungsrichtlinie zu messen [...].

58 Die Rückführungsrichtlinie ist danach generell auf Personen anwendbar, die über keinen Aufenthaltstitel oder keine sonstige Aufenthaltsberechtigung im Aufnahmestaat verfügen (siehe Art. 6 Abs. 4 Rückführungsrichtlinie). [...]

60 Im Falle des Klägers ist schon deshalb von einem "illegalen Aufenthalt" in diesem Sinne auszugehen, weil er keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Im Übrigen hat die Ausweisung (vgl. hierzu unten, B.III.) zur Folge, dass nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG der für den Aufenthalt in Deutschland erforderliche Aufenthaltstitel erlischt und der Ausländer kraft Gesetzes (§ 50 AufenthG) zur Ausreise verpflichtet wird [...].

61 d) Dies gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann, wenn der Ausländer - wie hier der Kläger - tatsächlich nicht abgeschoben werden darf (siehe § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). [...]

III.

63 Die unter Ziffer I. des Bescheids vom 11.12.2019 verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland ist zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung [...] rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. [...]

67 3. Der Kläger erfüllt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (a) und gefährdet dadurch auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung (b). [...]

93 5. Die Ausweisung ist unter Abwägung aller Umstände nach § 53 Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt, weil das öffentliche Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG das Bleibeinteresse des Klägers nach § 53 Abs. 2 AufenthG überwiegt. [...]

95 a) Kann eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG mangels einer effektiven Rückkehrentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs [...] nicht mit einem befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden (vgl. ausführlich oben, B.II.), kann sich im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG auch die Frage stellen, worin im konkreten Einzelfall das öffentliche Ausweisungsinteresse begründet liegt [...]. Die Unionsrechtswidrigkeit eines Einreise- und Aufenthaltsverbots, das nicht mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht, hat "wiederum nach nationalem Recht Auswirkungen auf die Prüfungsinhalte der Abwägung im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung" [...].

96 Vor dem Hintergrund des gefahrenabwehrrechtlichen Schwerpunktes der inlandsbezogenen Ausweisung muss daher geprüft werden, inwiefern sie - ohne ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - die Abwehr oder Reduzierung der Wiederholungsgefahr durch ihren Regelungsgehalt und die an sie knüpfenden Rechtsfolgen überhaupt noch leisten kann.

97,98 In den Blick zu nehmen sind dabei die ausländerrechtlichen Rechtsfolgen und sonstigen Wirkungen, die eine Ausweisung ohne ein rechtmäßiges befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot entfalten kann. Diese Rechtsfolgen sind an dem Ziel der Ausweisung zu messen, durch sie die vom Ausländer ausgehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren oder zumindest zu verringern.

99 Kommt einer Ausweisung ohne befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf ihre gefahrenabwehrrechtliche Zielrichtung überhaupt keine zur Gefahrenabwehr oder -verringerung taugliche Wirkung mehr zu, könnte das öffentliche Ausweisungsinteresse deutlich gemindert sein oder gar entfallen. In der Folge ginge dann die nach § 53 Abs. 1 AufenthG auf der Tatbestandsseite vorausgesetzte Abwägung zu Gunsten des Bleibeinteresses des Ausländers aus bzw. die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung entfiele. Dies bedarf im vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls im konkreten Einzelfall des Klägers noch von hinreichenden Wirkungen der Ausweisung auszugehen ist. [...]

106 Die Ausweisung kann jedoch in der Zukunft nach einem Widerruf der mit Bescheid des Bundesamts vom 16.03.2022 getroffenen Feststellung eines Abschiebungsverbots dazu führen, dass mit Erlass einer Rückkehrentscheidung in Gestalt einer Abschiebungsandrohung auch ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen wäre, welches dann eine Titelerteilungssperre zur Folge hätte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Ausweisung eine - wenn auch nur latent - verhaltenssteuernde Wirkung in Richtung auf den Kläger zu.

107 Ferner führt die zusätzliche Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen dazu, dass der Ausweisung weitere Wirkungen zukommen, die geeignet sind, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzubeugen. Denn sie kann auch bei Vorliegen von Abschiebungsverboten oder -hindernissen insofern eine selbständige Bedeutung haben, als dass sie andere Ausländer im Sinne generalpräventiver Erwägungen von weiterer Straftatenbegehung abschrecken kann [...].

108 Diese Wirkungen sind - unabhängig von den begrenzten rechtlichen Wirkungen der inlandsbezogenen Ausweisung im vorliegenden Fall - nach Auffassung der Kammer noch ausreichend, um überhaupt von einem berechtigten öffentlichen Interesse an der Ausweisung ausgehen zu können. In diese Wertung fließt auch ein, dass der Gesetzgeber die Ausweisung als gebundene Entscheidung ausgestaltet hat, die von der Ausländerbehörde zu treffen ist, wenn der Tatbestand erfüllt ist. Eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und damit der Grad der Eignung im Verhältnis zur Intensität der Rechtsbeeinträchtigung zu prüfen wäre, ist gerade nicht vorgesehen.

109 Offen bleiben kann nach alledem, ob eine inlandsbezogene Ausweisung auch dann als rechtmäßig anzusehen wäre, wenn sie nicht (auch) auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann. [...]