LG Düsseldorf

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Zitieren als:
LG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2023 - 25 T 117/21 - asyl.net: M31454
https://www.asyl.net/rsdb/m31454
Leitsatz:

Übernahme der Angaben aus Haftantrag zur Haftdauer nicht ausreichend:

Das Gericht hat dem Aufklärungsgrundsatz (§ 26 FamFG) gemäß eine eigenständige Prognose vorzunehmen, ob die Abschiebung innerhalb der beantragten Haftzeit möglich ist. Es darf die Angaben der antragstellenden Behörde nicht ungeprüft übernehmen.

(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: BGH, Beschluss vom 15.10.2015 - Az. V ZB 82/14 - bundesgerichtshof.de; BGH, Beschluss vom 11.05.2011 - V ZB 265/10 - asyl.net: M18597)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftantrag, Haftbeschluss, Haftdauer, Prognose, Sachaufklärungspflicht,
Normen: FamFG § 26, AufenthG § 62 Abs. 1, AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1, AufenthG § 62 Abs. 3 S. 3,
Auszüge:

[...]

Die Anordnung der Sicherungshaft war jedoch rechtswidrig, weil das Amtsgericht entgegen § 26 FamFG nicht eigenständig aufgeklärt hat, auf welcher Tatsachengrundlage bei Erlass der Haftanordnung die Prognose gerechtfertigt gewesen ist, die beabsichtigte Abschiebung des Betroffenen werde bei dem gebotenen Vorgehen in dem beantragten Zeitraum gelingen.

Das Amtsgericht muss bei der Prognose der notwendigen Haftdauer eine eigenständige Überprüfung vornehmen und darf die Angaben der antragstellenden Behörde nicht ungeprüft übernehmen.

Vorliegend hat das Amtsgericht die Angaben des Antragstellers - bis auf einzelne Auslassungen - wörtlich übernommen.

So führt der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung (Beschluss vom 15. Oktober 2015, - V ZB 82/14) aus:

"(...) a) Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nach § 62 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 4 AufenthG nur angeordnet werden, wenn eine Prognose ergibt, dass die Abschiebung innerhalb des beantragten Haftzeitraums gelingen kann. Das gilt nicht nur, wenn eine Sicherungshaft von drei Monaten verhängt werden soll, die § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG ausdrücklich anspricht. Diese Prognose ist auch bei der Anordnung einer kürzeren Haftdauer vorzunehmen, um die es hier ging (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 - V ZB 265/10, FGPrax 2011, 201 Rn. 9). Sie erfordert eine Feststellung der rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der zu sichernden Abschiebung und ist nach § 26 FamFG von dem Richter von Amts wegen vorzunehmen (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 - V ZB 265/10 aaO Rn. 8 f.). [...]"

Diese überzeugenden Ausführungen, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, sind auf die hiesige Konstellation übertragbar. Denn auch vorliegend hat sich das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 10. Februar 2021 darauf beschränkt, die Ausführungen der beteiligten Behörde wörtlich wiederzugeben. [...]

Unerheblich ist, ob vorliegend die Angaben der Behörde inhaltlich zutreffend gewesen sind. Denn die ausschließlich inhaltsgleiche Wiedergabe der Angaben des Antragstellers durch das Amtsgericht lässt gerade nicht erkennen, dass das Amtsgericht diese nach eigener Überprüfung für zutreffend erachtet und sich daraufhin den Ausführungen der antragstellenden Behörde angeschlossen hat.

Ohne eine eigene Prognose ist die Anordnung der Haft jedoch rechtswidrig (vgl.: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Mai 2011, - V 28 265/10, FGPrax 2011, 201). [...]