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OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2024 - 3 S 158/24 - asyl.net: M32995
https://www.asyl.net/rsdb/m32995
Leitsatz:

Keine Visaerteilung für nachziehende Geschwister:

Die hohe Schwelle dringender humanitärer Gründe im Rahmen von § 22 AufenthG ist nicht erreicht, auch wenn minderjährige kranke Geschwister beim Nachzug der Eltern zurückbleiben müssen. Es ist den Eltern zumutbar, auf ihr bestehendes Nachzugsrecht zu ihrem nahezu volljährigen Sohn zugunsten der minderjährigen Geschwister zu verzichten. Das in Deutschland lebende, bald volljährige Kind ist auch nicht auf die Betreuung durch beide Elternteile angewiesen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Familienzusammenführung, subsidiärer Schutz, unbegleitete Minderjährige, Geschwisternachzug,
Normen: AufenthG § 22, AufenthG § 36a, GG Art. 6, EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragstellern Visa zu erteilen, die es ihnen ermöglichen, gemeinsam mit ihren Eltern nach Deutschland einzureisen. Diese sind im Besitz von bis zum 31. Dezember 2024 befristeten Visa nach § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG zum Nachzug zu ihrem in Deutschland subsidiär schutzberechtigten Sohn (und Bruder der Antragsteller), der am 1. Januar 2025 volljährig wird. [...]

Die Beschwerde lässt indessen auch nicht die Feststellung zu, dass die Versagung der erstrebten Visa, die es den Antragstellern ermöglichen sollen, mit ihren Eltern zusammen nach Deutschland einzureisen, mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 8 EMRK schlechthin unvereinbar wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier eine Trennung der Antragsteller von ihren Eltern, deren Fortdauer ihnen nicht länger zuzumuten wäre [...], bisher noch nicht besteht, sondern erst eintreten würde, wenn die Eltern von den ihnen erteilten Visa Gebrauch machen. Dass der Gesetzgeber die seit längerem bestehende Trennung von ihrem in Deutschland lebenden Bruder grundsätzlich für hinnehmbar hält, zeigt sich daran, dass er einen "Geschwisternachzug" in § 36a AufenthG - wie auch sonst in §§ 27 ff. AufenthG - gerade nicht vorgesehen hat, sondern ihn nur zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte (§ 36 Abs. 2 AufenthG) ermöglicht.

Nach den hier maßgeblichen Umständen des Einzelfalls ist es nicht im Sinne des § 22 Satz 1 AufenthG schlechthin unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 8 EMRK, wenn den Eltern der Antragsteller zugemutet wird, zur Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft mit den Antragstellern an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort in Libanon ggf. auf das – bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2024 untergehende - Nachzugsrecht zu dem in Deutschland lebenden Sohn zu verzichten. Ob Entsprechendes auch für eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts [...] gilt, ist hier nicht zu entscheiden. Dass der in Deutschland lebende und nahezu volljährige Bruder der Antragsteller aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls der Betreuung durch beide Eltern bedürfte, wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht und ist auch im Übrigen nicht erkennbar. [...]