Fluchtgefahr wegen der Zahlung erheblicher Geldbeträge zur Einreise:
Konkrete Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr können gem. § 62 Abs. 3b Nr. 2 AufenthG vorliegen, wenn erhebliche Geldbeträge für die Einreise gezahlt wurden, da daraus geschlossen werden kann, dass die Abschiebung verhindert werden soll, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren. Gegen solche konkreten Anhaltspunkte spricht es, wenn der Betroffene bereits seit über zehn Jahren in Deutschland lebt, einer Beschäftigung nachgegangen ist und vorträgt, die Kosten für die Einreise bereits zurückgezahlt zu haben.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
1 I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste ... 2013 in das Bundesgebiet ein. [...] Im Oktober 2023 wurde er aufgrund einer vorläufig bis zum 16. Oktober 2023 angeordneten Freiheitsentziehung in Haft genommen. Nachdem die für den 10. Oktober 2023 geplante Abschiebung wegen eines Asylfolgeantrags gescheitert war, hat das Amtsgericht am 13. Oktober 2023 Abschiebungshaft bis zum 21. November 2023 angeordnet. [...]
2 II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
3 1. Das Beschwerdegericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, der Haftgrund der Fluchtgefahr liege vor. Der Betroffene habe für seine Einreise in das Bundesgebiet einen erheblichen Geldbetrag im Sinn von § 62 Abs. 3b Nr. 2 AufenthG aufgewandt. Für seine Einreise habe er 1,2 Millionen Rupien bezahlt, was nach heutigem Kurs etwa 3.930 € entspreche und das damalige durchschnittliche Jahreseinkommen des Betroffenen um ein Vielfaches übersteige. [...]
4 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bejaht. [...]
6 b) Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Annahme des Beschwerdegerichts, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen, zu beanstanden. Die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist rechtsfehlerhaft, weil es einerseits die Lebenssituation des Betroffenen im Zeitpunkt der Haftanordnung nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt sowie andererseits zu Lasten des Betroffenen Umstände in seine Abwägung eingestellt hat, die keine Indizien für eine Fluchtgefahr begründen.
7 aa) Nach § 62 Abs. 3b Nr. 2 AufenthG kann ein konkreter Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein, dass der Ausländer zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für Einschleusemaßnahmen nach § 96 AufenthG, aufgewandt hat, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass sie den Schluss zulassen, er werde die Abschiebung verhindern, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren. Die Regelung des § 62 Abs. 3b Nr. 2 AufenthG beruht auf der Annahme, dass die Zahlung erheblicher Geldbeträge für die Einreise den Anreiz schafft, sich der Abschiebung durch Flucht zu entziehen, damit die Aufwendungen sich nicht als vergeblich erweisen [...].
8 bb) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass der Betroffene zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge aufgewandt hat, die das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Pakistan 2013 um mehr als das Doppelte überstiegen haben. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Betrachtung aber die Lebenssituation des Betroffenen zum Zeitpunkt der Anordnung der Haft rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen und dem von ihm bejahten konkreten Anhaltspunkt für die Fluchtgefahr daher ein zu hohes Gewicht beigemessen. [...]
10 (2) [...] Es hat bei seiner Gesamtbetrachtung nicht berücksichtigt, dass die Einreise des Betroffenen zum Zeitpunkt der Haftanordnung bereits über zehn Jahre zurücklag, der Betroffene - was sich auch der Ausländerakte entnehmen lässt - in Deutschland einen nicht unerheblichen Zeitraum gearbeitet und ein Einkommen erzielt, sowie geltend gemacht hatte, das für die Einreise aufgenommene Darlehen bereits zurückgezahlt zu haben. [...]