BlueSky

LG Mainz

Merkliste
Zitieren als:
LG Mainz, Beschluss vom 27.01.2025 - 8 T 232/24 - asyl.net: M33050
https://www.asyl.net/rsdb/m33050
Leitsatz:

Zur Anwendung einer Fußfessel in Abschiebeverfahren: 

Eine sogenannte elektronische Fußfessel kann nicht zur Absicherung der Abschiebung als milderes Mittel gegenüber der Haft angewandt werden. Es fehlt die entsprechende gesetzliche Grundlage. § 56a AufenthG regelt zwar die elektronische Überwachung, ist aber auf die dort genannten Fälle (räumliche Beschränkung, Kontaktverbot, Wohnsitzbeschränkung) begrenzt.

(Leitsatz der Redaktion)  

Schlagwörter: Abschiebungshaft, milderes Mittel, elektronische Fußfessel,
Normen: AufenthG § 62 AufenthG § 56a AufenthG § 56
Auszüge:

[...]

Die Haftanordnung war auch verhältnismäßig. Dies ist der Fall, wenn die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.

Mildere Mittel zur Sicherung der beabsichtigten Abschiebung nach Marokko als die Anordnung der Sicherungshaft waren nicht vorhanden. Insbesondere war die freiwillige Ausreise des Betroffenen nicht gesichert. [...]

Soweit in der Beschwerdebegründung angeführt wird, der Betroffenen habe in der Anhörung vom 20.08.2024 die Anwendung einer sog. Fußfessel "angeboten", was ein milderes Mittel zur Haftanordnung darstelle, fehlte es für die Anordnung einer solchen Maßnahme an einer gesetzlichen Grundlage. Die in der Beschwerdebegründung angeführte Vorschrift des § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 und 4 StGB betrifft Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht bei verurteilten Straftätern und kann vorliegend weder direkt noch - insbesondere angesichts des damit verbundenen Grundrechtseingriffs - analog angewendet werden. Eine planwidrige Regelungslücke, wonach der Gesetzgeber die Regelung des Sachverhalts unbeabsichtigt unterlassen hat, ist gerade nicht gegeben. Denn der Einsatz elektronischer Aufenthaltsüberwachung im Aufenthaltsrecht ist - als milderes Mittel zur Haftanordnung - ausdrücklich in § 56a AufenthG geregelt worden und dort an enge Voraussetzungen geknüpft. Adressat der Verpflichtung ist ein Ausländer, der einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts nach § 56 Abs. 2, einer Wohnsitznahmeverpflichtung nach § 56 Abs. 3 oder einer Kontaktbeschränkung nach § 56 Abs. 4 unterliegt und von dem eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter ausgeht. Befugnisse, die - wie das ständige Tragen einer elektronischen Fußfessel (auch in der Wohnung) - erheblich in das Privatleben hineinreichen, müssen auf den Schutz oder die Bewahrung hinreichend gewichtiger Rechtsgüter - hier Schutz von Leib und Leben Dritter vor gefährlichen Ausländern, die sich, obgleich ausgewiesen oder sonst vollziehbar ausreisepflichtig, noch im Bundesgebiet aufhalten - begrenzt sein [...]. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber den Einsatz elektronischer Fußfesseln auch auf diesen Anwendungsbereich beschränken wollte. [...]

Mangels entsprechender Rechtsgrundlage ist der Einsatz einer sog. "elektronischen Fußfessel" zum Zwecke der Absicherung einer Abschiebung, insbesondere bei bestehendem Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, im Ergebnis nicht möglich. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betroffene in eine solche Maßnahme einwilligt. [...]