Verfassungsrechtliche Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung zur Benachrichtigungspflicht:
Es bestehen aufgrund der herausragenden Bedeutung des Art. 104 Abs. 4 GG Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine Haftanordnung nicht dadurch rechtswidrig wird, dass gegen die Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG verstoßen wurde. Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs, der auch der BGH folgt, führt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht zur Rechtswidrigkeit der Haft, wenn das Verfahren bei pflichtgemäßem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis hätte führen können und der Betroffene dies darlegt.
(Leitsatz der Redaktion; bezugnehmend auf die Entscheidung des BGH zu Art. 36 Abs. 1 WÜK, BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZB 79/15 - abrufbar unter https://juris.bundesgerichtshof.de und die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, LaGrand (Germany v. United States of America) vom 27.06.2001 und Avena (Mexiko v. United States of America) vom 31.03.2004 - abrufbar unter https://www.icj-cij.org)
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25 2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Februar 2022 über die Anordnung der Abschiebungshaft wendet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen, da sie unzulässig ist.
26 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt die Nichtbenachrichtigung eines Angehörigen beziehungsweise einer Vertrauensperson den in Haft befindlichen Betroffenen nicht zusätzlich in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG, sodass die Haftanordnung nicht wegen der Nichtbenachrichtigung aufzuheben ist; dass diese Rechtsprechung erneuter Überprüfung bedürfte. macht die vorliegende Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert geltend. Das Bundesverfassungsgericht sieht daher insofern von einer weiteren Prüfung ab, wenngleich Zweifel bestehen, ob vor dem Hintergrund der herausragenden Bedeutung des in Art. 104 Abs. 4 GG verankerten Benachrichtigungsrechts des Inhaftierten an dieser Rechtsauffassung festzuhalten ist.
27 Die Bedeutung der Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG wird auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterstrichen, der - im Anschluss an Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs [...] - entschieden hat, dass ein Verstoß gegen die - unter anderem ähnlichen Zwecken wie Art. 104 Abs. 4 GG dienende - Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 WOK zur Rechtswidrigkeit der Haft des Betroffenen führt, wenn das Verfahren bei pflichtgemäßem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis hätte führen können; darlegungspflichtig sei insofern der Betroffene. [...]