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Bundesministerium des Innern

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Zitieren als:
Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 01.05.2025 - AH-StAG 2025 - asyl.net: M33379
https://www.asyl.net/rsdb/m33379
Leitsatz:

Bundesinnenministerium: Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsgesetz

Überarbeitung der Anwendungshinweise anlässlich der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22.3.2024, u.a. zu den folgenden Themen:

1. Umfangreiche Begriffserläuterungen zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a) StAG (Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und Bekenntnis zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands; Loyalitätserklärung, Rn. 14 - 48 zu § 10) mit konkreten Beispielen von Handlungen, die Anlass dafür sein können, die inhaltliche Richtigkeit des Bekenntnisses zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands im Hinblick auf den Schutz jüdischen Lebens zu hinterfragen.

2. Umfangreiche Hinweise zum Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung bei § 10 StAG (Rn. 61 - 121 zu § 10).

3. Hinweise zu den Erleichterungen beim Sprachnachweis für "Gastarbeiter*innen" und ihre Ehegatten und in Härtefallen (Rn. 174 - 206 zu § 10).

4. Hinweise zu den Ausschlussgründen der Polygamie und der Missachtung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, § 11 StAG (Rn. 10 - 38 zu § 11).

5. Hinweise zu den Verlustgründen der deutschen Staatsangehörigkeit, § 17 StAG.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Staatsangehörigkeit, Einbürgerung, Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Bekenntnis zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands, Anspruchseinbürgerung,
Normen: StAG § 10, StAG § 8, StAG § 11, StAG § 17
Auszüge:

[...]

Staatenlose 

12 Die Staatsangehörigkeit ist auch geklärt, wenn der Antragsteller staatenlos ist. Staatenlos ist eine Person, die kein Staat nach seinem innerstaatlichen Recht als Staatsangehörigen ansieht (s. Nr. 8 Rdn. 44). Personen können
ihre Staatenlosigkeit durch Vorlage eines Reiseausweises für Staatenlose nachweisen. Sofern dies nicht erfolgt, ist nach dem Stufenmodell des BVerwG zu verfahren. Belegt die Person, dass keiner der Staaten, als dessen
Angehöriger er in Betracht kommt, ihn als Staatsangehörigen anerkennt, ist seine Staatenlosigkeit geklärt. 

13 Bei in Deutschland staatenlos geborenen Kindern kann nach fünfjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt auch ein Anspruch auf Einbürgerung nach Art. 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit in Betracht kommen.

Zu Nummer 1 und 1a: Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und Bekenntnis zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands; Loyalitätserklärung

14 Der Antragsteller hat spätestens vor der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde, die unter Nr. 10 Rdn. 23 und 41 ausgeführten Bekenntnisse und die in Nr. 10 Rdn. 34 ff. ausgeführte Loyalitätserklärung abzugeben. Das Bekenntnis und die Erklärung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 sowie das Bekenntnis nach Nr. 1a sind nicht zu fordern, wenn der Antragsteller nach Maßgabe von § 34 S. 1 nicht handlungsfähig ist. Vor der Abgabe der Bekenntnisse und der Erklärung ist der Antragsteller über deren Bedeutung schriftlich und mündlich zu belehren. Wegen ihres höchstpersönlichen Charakters sind die Bekenntnisse und die Erklärung persönlich abzugeben (BayVGH, Urteil vom
19.1.2012 – 5 B 11.732, juris Rn. 19, 21). 

15 Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist eine materielle und keine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung. Das Bekenntnis soll dem Antragsteller vor Augen führen, dass er sich den  Grundprinzipien der deutschen Verfassungsordnung glaubhaft zuwenden muss. Das Bekenntnis muss daher inhaltlich zutreffen, d.h. von einer inneren Hinwendung zur Verfassungsordnung getragen sein. Wurde das Bekenntnis unter innerem Vorbehalt abgegeben („Lippenbekenntnis“), ist es nicht wirksam (BayVGH, Urteil vom 19.1.2012 – 5 B 11.732).

16 Mit dem Bekenntnis dokumentiert der Antragsteller seine innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland als Staat (vgl. BT-Drs. 16/5107, S. 14). Dies beinhaltet, dass der Antragsteller die Befugnis des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zur Rechtsetzung vorbehaltlos akzeptiert, auch dann, wenn das staatliche Recht in Widerspruch zu vermeintlichen oder tatsächlichen religiösen Geboten steht. Der Primat staatlich gesetzten Rechts vor religiösen Geboten ist auch im Falle eines Konflikts uneingeschränkt zu bejahen (BVerwG, Urteil vom 29.5.2018 – 1 C 15/17 –, BVerwGE 162, 153-179, juris Rn. 57 f.). Wer aktiv und grundsätzlich die Beendigung der rechtlichen
Existenz der Bundesrepublik Deutschland einfordert, kann kein wirksames Bekenntnis im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 abgeben. 

17 Es muss zur Gewissheit der Staatsangehörigkeitsbehörde feststehen, dass das von Kenntnis getragene Bekenntnis auch der inneren Überzeugung des Antragstellers entspricht. Der Antragsteller muss den Inhalt des  Bekenntnisses verstanden haben. Wirksam bekennen kann sich nur, wer den Inhalt der von ihm abgegebenen Bekenntniserklärung zumindest hinsichtlich der Kernelemente kennt.

18 Damit ein wirksames Bekenntnis sichergestellt ist, kann im Gespräch mit Antragstellern, bei denen gemäß § 10 Abs. 6 vom Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache vollständig abgesehen wird, sowie bei
Antragstellern, die nur Sprachkenntnisse gemäß § 10 Abs. 4 S. 3 und Abs. 4a nachweisen müssen (mündliche Verständigung im Alltagsleben ohne nennenswerte Probleme, siehe Nr. 10 Rdn. 189 ff.), ein beeidigter Dolmetscher
hinzugezogen werden. Dies gilt auch, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte Zweifel bestehen, dass aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse ein wirksames Bekenntnis abgegeben werden kann.

19 Aus dem erfolgreichen Bestehen des Einbürgerungstests allein kann nicht auf ein ausreichendes Verständnis geschlossen werden, da durch den gegenwärtigen Fragenkatalog des Einbürgerungstests nicht alle Kerninhalte
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgedeckt werden. 

20 Die voranstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das Bekenntnis zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, insbesondere für den  Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges. [...]