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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 17.06.2025 - XIII ZB 7/24 - asyl.net: M33421
https://www.asyl.net/rsdb/m33421
Leitsatz:

Keine Belehrungspflicht zur Möglichkeit der Beiziehung einer anwaltlichen Vertretung:  

Es bestand vor der Einführung des § 62d AufenthG mit Wirkung zum 27. Februar 2024 keine aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens folgende allgemeine Pflicht des Gerichts, den Betroffenen über sein Recht zu belehren, einen Bevollmächtigten zur Anhörung hinzuzuziehen. 

(Amtlicher Leitsatz) 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, faires Verfahren, Rechtsbeschwerde, Belehrung, Pflichtanwalt, Haftanhörung
Normen: AufenthG § 62d, FamFG § 420 Abs. 1 S. 1, FamFG § 70 Abs. 3 Nr. 3, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3
Auszüge:

[...]

6 a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, weil es den Betroffenen nicht über sein Recht belehrt hat, einen Rechtsanwalt zur Anhörung hinzuzuziehen. 

7 a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser vom Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht [...].

8 bb) Diesen Anforderungen hat die Verfahrensweise des Amtsgerichts entsprochen. Der Betroffene hatte weder einen Rechtsanwalt noch hat er den Wunsch geäußert, einen Rechtsanwalt zur Anhörung hinzuziehen. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor Einführung des mit Wirkung zum 27. Februar 2024 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 62d AufenthG keine allgemeine Belehrungspflicht des Gerichts abzuleiten war. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens besteht nur, wenn das Gericht die Teilnahme eines Bevollmächtigten an der Anhörung vereitelt. Der Betroffene muss daher angeben, dass er einen Bevollmächtigten hat oder die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wünscht [...]. Auch die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass das hier nicht der Fall war. Eine Pflicht zur Nachfrage des Gerichts besteht nur dann, wenn die Erklärung oder das Verhalten des Betroffen nicht eindeutig ist. In dieser Situation muss das Gericht den Willen des Betroffenen aufklären [...]. Dabei kann bei der Beurteilung, ob es den Willen des Betroffenen in ausreichendem Maß ermittelt hat, auch darauf abzustellen sein, ob zuvor eine Belehrung erfolgt ist. Unterbleibt eine Aufklärung, kann das Gericht aus der weiteren Teilnahme des Betroffenen an der Anhörung nicht auf einen Verzicht schließen. [...]