VG Cottbus

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Zitieren als:
VG Cottbus, Beschluss vom 21.01.2019 - 3 L 23/19 - asyl.net: M26997
https://www.asyl.net/rsdb/M26997
Leitsatz:

Rechtsschutz bei Ablehnung eines Asylfolgeantrags:

Gem. § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG darf die Abschiebung im Fall eines Asylfolgeverfahrens erst vollzogen werden, wenn eine Entscheidung über den Asylfolgeantrag, kein weiteres Verfahren durchzuführen, vorliegt.

(Leitsätze der Redaktion; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 14.12.2016 - 2 BvR 2557/16 (ASYLMAGAZIN 1-2/2017, S. 46) - asyl.net: M24488 unter Bezugnahme auf Art. 19 Abs. 4 GG)

Schlagwörter: Abschiebung, Zustellung, Asylfolgeantrag, Abschiebungsandrohung, Bescheid, vorläufiger Rechtsschutz, effektiver Rechtsschutz, Rechtsweggarantie,
Normen: AsylG § 71 Abs. 5 S. 2, RL 2013/32/EU Art. 9 Abs. 1, RL 2013/32/EU Art. 9 Abs. 2, RL 2013/32/EU Art. 41, RL 2013/32/EU Art. 46, RL 2013/32/EU Art. 40 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller verweist als Grundlage seines Anordnungsanspruches auf § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG. Danach sei eine Abschiebung erst möglich, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ober den Folgeantrag entschieden hat.

Zwar ist nach der gesetzlichen Regelung die Abschiebung nur so lange ausgesetzt, bis eine Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, ergeht. Auch liegt eine solche Mitteilung vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte dem Antragsgegner mit Datum vom 18. Januar 2019 mit, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen.

Dies genügt jedoch vorliegend nicht. Die auch vom Bundesamt in seiner Mitteilung an den Antragsgegner dargestellte Auffassung, es genüge die bloße Mitteilung darüber, dass die Voraussetzung für die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens nicht vorliegen, um Abschiebemaßnahmen zu realisieren selbst dann, wenn ein Bescheid noch nicht vorliegt, vermag nicht zu überzeugen. Sie steht insbesondere auch nicht mit den europarechtlichen Vorschriften, auf die sich der Antragsteller auch berufen kann, im Einklang.

Die nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorgesehene Mitteilung - als Voraussetzung für eine Vollziehung der Ausreisepflicht - kann nach Auffassung der Kammer rechtmäßig nur dann ergehen, wenn zuvor oder zumindest zeitgleich eine abschließende Entscheidung über das Folgeantragsbegehren vorliegt. Dies ist schon deshalb richtig, da erst nach dem förmlichen Abschluss eines Verfahrens, wobei am Ende regelmäßig eine Verwaltungsentscheidung steht, überhaupt sicher gesagt werden kann, ob die Voraussetzungen - hier - für die Durchführung eines Folgeverfahrens vorliegen oder nicht. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass noch in der Zeit von der Mitteilung an die Ausländerbehörde bis zur Erstellung des Bescheides neue oder andere Tatsachen vorgetragen werden, die eine anderweitige Entscheidung zur Folge haben können.

Auch steht nur eine solche Sicht der Dinge in Übereinstimmung mit europarechtlichen Vorschriften, denen im Kollisionsfalle ein Anwendungsvorrang zukommt.

Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (nachfolgend Verfahrensrichtlinie) dürfen Antragsteller (hier diejenigen, die ein Antrag auf Internationalen Schutz gestellt haben) zum Zwecke des Verfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die Asylbehörde erstinstanzlich über den Antrag entschieden hat. Nach Abs. 2 der Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten eine Ausnahme machen, wenn eine Person einen Folgeantrag Im Sinne von Art. 41 stellt. Zwar hat der Antragsteller unter dem 11. Januar 2019 einen Asylfolgeantrag gestellt, jedoch ist er auch für die Zeit des Folgeantragsverfahrens nicht rechtsschutzlos und sind ihm Verfahrensrechte eingeräumt. Wie sich aus Art. 41 und 46 der Verfahrensrichtlinie ergibt, sind nur unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet während des Verfahrens zulässig. Dies ist nach Art. 41 Abs. 1 b) der Verfahrensrichtlinie etwa dann der Fall, wenn nach einem 1. Folgeantrag ein 2. Folgeantrag gestellt wird oder aber nach Art. 41 Abs. 1 a), wenn eine Person nur zur Verzögerung oder Behinderung der Durchsetzung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedstaat führen würde, förmlich einen 1. Folgeantrag gestellt hat, der gemäß Art. 40 Abs. 5 nicht weiter geprüft wird.

Nach Art. 40 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie wird dann, wenn ein Folgeantrag nach diesem Artikel nicht weiter geprüft wird, dieser gemäß Art. 33 Abs. 2 d Verfahrensrichtlinie als unzulässig betrachtet. Nach Art. 46 Abs. 6 Verfahrensrichtlinie ist im Fall einer Entscheidung, einen Antrag gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, b oder d als unzulässig zu betrachten, das Gericht befugt darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden.

Daraus folgt, dass überhaupt eine (rechtsmittelfähige) Entscheidung vorliegen muss, um aufenthaltsbeendende Maßnahmen vornehmen zu können. [...]