VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2019 - 8 L 2503/19; ähnlich auch: 8 K 6802/19 - asyl.net: M27771
https://www.asyl.net/rsdb/M27771
Leitsatz:

Bei der Prüfung von Gründen für die Versagung der Ausbildungsduldung ist die Beantragung maßgeblicher Zeitpunkt:

1. Bei der Prüfung, ob die Verletzung einer Mitwirkungspflicht einen Grund für die Versagung der Ausbildungsduldung wegen Arbeitsverbot gemäß § 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG darstellen kann, muss auf den Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung abgestellt werden. Maßgeblich darf hingegen nicht der Zeitpunkt der Beantragung der Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung bei noch laufendem Asylverfahren sein, denn dann sind Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ohnehin nicht möglich.

2. Zudem darf auf den Versagungsgrund des § 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG ohnehin nur abgestellt werden, wenn die Verletzung der Mitwirkungspflicht alleinige Ursache dafür ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.09.2019 - 11 B 137/19 - asyl.net: M27722)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Beschäftigungserlaubnis, Arbeitserlaubnis, Beurteilungszeitpunkt, Asylverfahren, Mitwirkungspflicht, Passbeschaffung, Versagungsgrund, aufenthaltsbeendende Maßnahmen,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 6 Nr. 2, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4,
Auszüge:

[...]

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob der Ausländer den Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, ist - anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des Abs. 6 - regelmäßig derjenige der Beantragung der Ausbildungsduldung. Insoweit gilt nichts anderes als für die im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beurteilende Frage, ab welchem Zeitpunkt konkret bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einem Duldungsanspruch nicht mehr entgegen gehalten werden können. Dieses Ergebnis folgt aus dem Zusammenhang der beiden Ausschlussgründe, und zwar aus dem Umstand, dass der Ausschlussgrund der bevorstehenden Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung voraussetzt, dass derartige Maßnahmen möglich sind und damit der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt. Ist damit das Nichtvorliegen des letztgenannten Ausschlussgrundes Anwendungsvoraussetzung für den erstgenannten Ausschlussgrund, so müssen die Beurteilungszeitpunkte identisch sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. März 2017 -18 B 148/17 -, juris).

Zudem muss selbst in Fällen, in denen die Ausländerbehörde eine fehlende Mitwirkung festgestellt hat, der fehlende Pass bzw. die fehlende Mitwirkung der ursächliche Duldungsgrund für den Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sein. Erforderlich ist also, dass von dem ausreisepflichtigen Ausländer zu vertretende Gründe kausal die Abschiebung verhindert haben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. November 2016 - 12 S 61.16 -, juris, Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 18 B 1772/05 -, juris, Rn 59; zu § 11 Satz 2 BeschVerfV (a.F.), VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 17. Januar 2019 - 8 L 2479 -, und vom 26. November 2018 - 8 L 2880/18 - n.v).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe dürfte der Ausschlussgrund des § 60 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorgelegen haben. Denn im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt war das Verhalten des Antragstellers jedenfalls nicht kausal dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten.

Dabei kann dahinstehen, inwiefern es dem Antragsteller bereits während des noch nicht vollziehbar abgeschlossenen Asylverfahrens oblag (§ 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG), in einer Weise bei der Passbeschaffung mitzuwirken, dass er verpflichtet war, sich an die Behörden seines Heimatlandes zu wenden.

Jedenfalls war der Antragsteller bis zum negativen Abschluss seines Asylverfahrens im Juni 2019 nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Er hat bereits während des noch laufenden Asylverfahrens mit der am 18. Februar 2019 erfolgten Beantragung der Beschäftigungserlaubnis zur Ausübung einer Ausbildung zum ... ab dem 19. August 2019 und mit der am 12. Juni 2019 erfolgten Beantragung der Erteilung einer Ausbildungsduldung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Asylverfahrens zu erkennen gegeben, dass er die am 19. August 2019 startende Ausbildung zum ... absolvieren möchte und damit mit dem Abschluss seines Asylverfahrens einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gestellt. Eines weiteren förmlichen Antrags nach Abschluss des Asylverfahrens bedurfte es nicht. Vielmehr wäre die Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne das Vorliegen eines förmlichen Antrags zu erteilen gewesen.

Mithin kann das Verhalten des Antragstellers - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung - unmittelbar nach dem Abschluss seines Asylverfahrens, also zu einem Zeitpunkt als auch die Antragsgegnerin gerade vom negativen Abschluss des Asylverfahrens Kenntnis erlangt hatte und sie bereits Kenntnis von dem geplanten Beginn der Ausbildung zum 19. August 2019 hatte - nicht kausal dafür gewesen sein, dass die Antragsgegnerin deswegen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung unterlassen hat; sie waren bis zum Abschluss des Asylverfahrens rechtlich schlicht unmöglich und danach - in der Kürze der Zeit - sowohl praktisch nicht ergreifbar als auch aufgrund des Vorliegens der Duldungsvoraussetzungen rechtlich nicht möglich. [...]