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VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 18.10.2024 - 22 L 1985/24.A - asyl.net: M32904
https://www.asyl.net/rsdb/m32904
Leitsatz:

Entscheidung über Abschiebung nach Kroatien kann nicht im Eilverfahren getroffen werden: 

Ob auch Dublin-Rückkehrende mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von der Praxis der Kettenabschiebungen nach Bosnien- Herzegowina betroffen sind, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Es ist nicht möglich, die maßgeblichen tatsächlichen Umstände aufzuklären und die komplexen Rechtsfragen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Wochenfrist zu beantworten. Die aufschiebende Wirkung der Klage war daher anzuordnen. 

(Leitsatz der Redaktion; Unter Bezug auf VG München, Beschluss vom 29.07.2024 - M 10 S 24.50732 - asyl.net: M32679 und OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.07.2024 - 11 A 2105/23.A - asyl.net: M32583)

Schlagwörter: Kroatien, Dublinverfahren, Kettenabschiebung, systemische Mängel, Suspensiveffekt,
Normen: VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, VwGO § 80 Abs. 5, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Der am 11. Oktober 2024 gestellte Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 6621/24.A gegen die in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. September 2024 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen, hat Erfolg.

Der zulässige Antrag ist begründet. [...]

Für den Ausgang des Hauptsacheverfahrens kommt es u.a. entscheidungserheblich auf die Beantwortung der Rechtsfrage an, ob eine Überstellung der Antragstellerin an Kroatien – unterstellt, dieser wäre der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat – an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Mängel im dortigen Asylsystem, aus denen sich die ernsthafte Gefahr einer Verletzung der Rechte der Antragstellerin aus Art. 4 GRCh ergibt, scheitert. [...]

Insbesondere problematisch ist dabei die Praxis von Kettenabschiebungen von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina auf der Grundlage des zwischen diesen beiden Staaten getroffenen Rückübernahmeabkommens, von dem ausweislich der aktuellen Erkenntnismittel auch in der Praxis derzeit Gebrauch gemacht wird [...], wobei die relevante Frage, ob davon mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch Dublin-Rückkehrer betroffen sind, unterschiedlich beantwortet wird. [...]

Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens, in dem die gerichtliche Entscheidung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers innerhalb von einer Woche ergehen soll (§ 36 Abs. 3 Satz 5 AsylG) ist es nicht möglich, sich mit den insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umständen sowie mit den sich hier stellenden komplexen Rechtsfragen in hinreichender Weise auseinanderzusetzen. Eine abschließende Bewertung muss insofern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. [...]

Im Hauptsacheverfahren muss eingehend geprüft werden, ob sich für die Antragstellerin die konkrete und ernsthafte Gefahr ergibt, von der von Kroatien praktizierten Kettenabschiebung betroffen und dadurch einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Da dies jedenfalls bei summarischer Betrachtung unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, ist von einer Überstellung der Antragstellerin nach Kroatien für die Dauer des Hauptsachverfahrens abzusehen. Würde die Antragstellerin an Kroatien überstellt und erwiese sich die Klage in der Hauptsache als begründet, stünde hier die Verletzung hochrangiger Rechtsgüter der Antragstellerin in Rede. [...]