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LSG Thüringen

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Zitieren als:
LSG Thüringen, Beschluss vom 16.05.2025 - L 8 AY 222/25 B ER - asyl.net: M33410
https://www.asyl.net/rsdb/m33410
Leitsatz:

Leistungskürzung bei Ausreisepflicht im Dublinverfahren verfassungs- und europarechtskonform: 

1. Mit der Entscheidung des BAMF über die Unzulässigkeit des Asylantrages erfolgt bereits die Feststellung über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Ausreise im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG. Es sind keine weiteren Ausführungen erforderlich, soweit das BAMF die Voraussetzungen der Art. 3 EMRK und Art. 4GRCh geprüft hat. 

2. Es bestehen keine Zweifel an der Europarechts- und Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG, inbesondere wenn ausreichend Schutz in einem anderen europäischen Mitgliedstaat besteht. Antragstellende haben keinen Anspruch auf Schutz durch einen EU - Mitgliedstaat der Wahl. 

(Leitsätze der Redaktion; a.A.: SG Landshut, Beschluss vom 18.12.2024 - S 11 AY 19/24 ER - asyl.net: M32994; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.06.2025 – L 8 AY 12/25 B ER – asyl.net: M33390; SG Hamburg, Beschluss vom 11.04.2025 – S 28 AY 188/25 ER – asyl.net: M33256; SG Karlsruhe, Beschluss vom 25.02.2025 – S 12 AY 379/22 ER – asyl.net: M33205; SG Trier, Beschluss vom 20.02.2025 – S 3 AY 4/25 ER – asyl.net: M33264)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungsausschluss, Leistungskürzung, Asylbewerberleistungsgesetz,
Normen: AsylbLG § 1 Abs. 4 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Verfahrensgegenstand ist nach der Antragsänderung im Beschwerdeverfahren durch Schreiben vom 19. März 2025 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom Bescheid vom 20. Dezember 2024, mit dem der Ag den Bescheid vom 22. November 2024 mit Wirkung zum 31. Dezember 2024 aufgehoben und für den Zeitraum 1. Januar bis 14. Januar 2025 Überbrückungsleistungen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG i.V.m. § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG und § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylbLG bewilligt hat. Somit ist nicht die Gewährung von Härtefallleistungen nach § 1 Abs. 4 Satz 6 AsylbLG Gegenstand, denn über eine solche Leistung ist noch nicht entscheiden worden, weder von dem Ag noch vom Sozialgericht. Folge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist, dass der aufgehobene Bescheid vom 22. November 2024 wieder wirksam wird und dem Kläger daher wieder Leistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG zu gewähren sind. Ferner sind die mit dem Bescheid vom 20. Dezember 2024 bewilligten Überbrückungsleistungen nicht zu gewähren, denn auch hier tritt die aufschiebende Wirkung ein. Keinesfalls sind Härtefallleistungen mit dem aufgehobenen Bescheid vom November 2024 bewilligt worden. Dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt. [...]

Auch der erkennende Senat sieht keinen Anordnungsanspruch. [...]

Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AsylbLG sind erfüllt. Es handelt sich jedenfalls um einen Fall der Nr. 2. Danach haben Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 des Asylgesetzes als unzulässig abgelehnt wurde, für die eine Abschiebung nach § 34a Absatz 1 Satz 1 zweite Alternative des Asylgesetzes angeordnet wurde und für die nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz. Denkbar wäre hier auch ein Fall der Nr. 1, wonach Leistungsberechtigte, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Absatz 4 Satz I internationaler Schutz gewährt worden ist, der fortbesteht, keinen Anspruch nach dem AsylbLG haben.

Nr. 2 ist hier gegeben, weil der Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2024 rechtskräftig als unzulässig abgelehnt worden ist, da Malta aufgrund des dort gestellten Asylantrags nach Dublin-III-VO zuständig sei. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebeverbote nicht vorliegen und die Abschiebung nach Malta sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wurden angeordnet. Seit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides am 7. September 2024 ist der Ast ausreisepflichtig.

Mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die Unzulässigkeit des Asylantrages erfolgt bereits die Feststellung über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Ausreise; insbesondere hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits geprüft, dass dem Ausländer keine Verletzung von Artikel 3 der Menschenrechtskonvention oder Artikel 4 der Grundrechtecharta im anderen Mitgliedstaat droht [...]. Die Feststellungen hierzu finden sich unter Ziffer 2 der Begründung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2024. Dort setzt sich das Amt ausführlich mit Artikel 3 der Menschenrechtskonvention oder Artikel 4 der Grundrechtecharta auseinander. Ist es schon fraglich, ob der Bescheid überhaupt einen gesonderten Verfügungssatz mit feststellendem Inhalt haben muss, muss jedenfalls eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Ausreise in der Begründung des Bescheides ausreichen. Es sind vorliegend auch keine dieser Feststellung entgegenstehenden Tatsachen vorgetragen noch gerichtsbekannt.

Nr. 1 dürfte schon deshalb gegeben sein, weil Malta sich für zuständig erklärt hat, womit der dortige Schutzstatus auch fortbesteht.

Die Unterrichtung über Überbrückungsleistungen und die Härtefallregelung im Anhörungsschreiben vom 4. Dezember 2024 ist ausreichend. Es ist nicht ersichtlich, was hier noch ausgeführt werden müsste.

Die Anhörung zu der beabsichtigten Aufhebungsentscheidung ist insgesamt ausreichend, insbesondere auch die Fristsetzung.

An der Unionsrechts- oder Verfassungskonformität hegt der Senat keine Zweifel; insbesondere ist hier Malta laut eigener Erklärung zuständig und der Ast damit innerhalb der EU ausreichend geschützt. Es besteht kein Anspruch auf Schutz durch einen EU-Mitgliedstaat  der Wahl. Ohnehin sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch im Eilverfahren an geltendes Recht gebunden; ihnen kommt keine Verwerfungskompetenz zu - auch nicht nach Europarecht, so dass allenfalls eine Aussetzung und Vorlage beim BVerfG oder EuGH in Betracht käme. Diese ist im Eilverfahren aber nur bei erheblichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit geboten [...], die hier nicht bestehen. [....]