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VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 18.09.2025 - 3 K 223/25 - asyl.net: M33638
https://www.asyl.net/rsdb/m33638
Leitsatz:

Keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Tätigkeit in der Schattenwirtschaft: 

Die in der griechischen Schattenwirtschaft herrschenden Arbeitsbedingungen wurden vom Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt. Sie erreichen weder einzeln noch kumulativ den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht  (BVerwG, Urteil vom 16.04.2025 - 1 C 18.24, 1 C 19.24 - asyl.net: M33243) an. 

(Leitsätze der Redaktion; andere Ansicht: VG Oldenburg, Beschluss vom 24.07.2025 - 12 B 5698/25 - asyl.net: M33520 und VG Hannover, Beschluss vom 21.07.2025 - 15 B 6309/25 - asyl.net: M33518) 

Schlagwörter: Griechenland, internationaler Schutz in EU-Staat,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Das Gericht schließt sich - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes und der Kammer - aufgrund der aktuellen Erkenntnisse zu den Verhältnissen für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland den vorstehenden Ausführungen und Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts an.

bb) Die Einwendungen des Klägers gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts greifen nicht durch.

Entgegen den Ausführungen des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht sich in seinem Urteil mit der Frage, ob ein Verweis auf eine Tätigkeit in der sog. Schattenwirtschaft gegen das Unions- oder Verfassungsrecht verstößt, beschäftigt und dies zutreffend verneint. Soweit der Kläger anführt, Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft umfassten eine weite Bandbreite von hoch kriminellen Tätigkeiten bis hin zu Arbeitsverhältnissen, bei denen keine Steuern oder Sozialabgaben gezahlt werden, ist der Entscheidung zu entnehmen, dass Schutzberechtigte nicht auf kriminelle Tätigkeiten oder andere Arbeiten, bei denen sie selbst einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung ausgesetzt wären, verwiesen werden können. Eine Unterscheidung zwischen kriminellen und straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktionierten Tätigkeiten und Tätigkeiten, die im Prinzip auch legal ausgeübt werden können, jedoch den öffentlichen Stellen zur Vermeidung von Steuern und Sozialbeiträgen nicht gemeldet werden, ist für einen anerkannt Schutzberechtigten zumutbar und leistbar.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung auch die in der griechischen Schattenwirtschaft herrschenden Arbeitsbedingungen berücksichtigt und nicht verkannt, dass diese in den Erkenntnisquellen (zum Teil) als prekär und ausbeuterisch beschrieben werden. Dies vorausgeschickt, ist weder aus den vorliegenden, aktuellen Erkenntnisquellen noch aus dem Vortrag des Klägers ersichtlich, dass die hohe Schwelle für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRCh für einen jungen und gesunden Mann überschritten ist. Die Behauptung des Klägers, dass in der Schattenwirtschaft Arbeitende unter sklavenähnlichen Bedingungen für ihren Lebensunterhalt schuften müssten, stellt weder eine generell gültige und bekannte Tatsache im Hinblick auf die Schattenwirtschaft im Allgemeinen dar, noch ergibt sie sich aus den zu Griechenland vorliegenden Erkenntnisquellen. Soweit etwa von langen Arbeitszeiten, unbezahlten Überstunden, unsicheren Arbeitsbedingungen und fehlendem Zugang zu Sozialleistungen berichtet wird, erreichen die Bedingungen weder einzeln noch kumulativ den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh Erkenntnisse, dass die Arbeitsbedingungen in der griechischen Schattenwirtschaft - wie vom Kläger geltend gemacht - generell in einem Art. 4 GRCh verletzendem Ausmaß prekär und ausbeuterisch sind, liegen nicht vor.

Der Vortrag des Klägers, anerkannt Schutzberechtigte könnten sich nach einem Arbeitstag in Schattenwirtschaft in der verbleibenden privaten Zeit in überfüllten Unterkünften nicht ausreichend regenerieren, verfängt nicht. Eine solche Regenerationsfunktion muss eine Unterkunft nicht erfüllen, um den sich aus Art. 4 GRCh ergebenden Anforderungen zu genügen.

Soweit der Kläger einen Verweis auf saisonale Tätigkeiten für unzumutbar hält, ist lediglich anzumerken, dass Beschäftigungen in den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus nicht die einzigen Erwerbsmöglichkeiten darstellen. So besteht etwa auch im Baugewerbe und im Bereich des verarbeitenden Gewerbes ein Arbeitskräftemangel. Tätigkeiten in diesen Bereichen können ganzjährig ausgeübt werden.

Die Schlussfolgerung des Klägers, dass aufgrund der in der Schattenwirtschaft herrschenden Bedingungen in Griechenland trotz der bestehenden hohen Arbeitslosigkeit kaum jemand bereit sei, in diesem Bereich zu arbeiten, weshalb eine hohe Nachfrage nach Ausländern bestünde, findet ebenfalls keine Stütze in den Erkenntnisquellen.

Der Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hannover und die dortigen Ausführungen rechtfertigen keine vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts abweichende Bewertung. Zum einen sind Entscheidungen, die auch nach dem Vorliegen der Entscheidungsgründe zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von dessen Beurteilung der relevanten Sachlage abweichen, bislang vereinzelt geblieben. Zum anderen liegt den abweichenden Entscheidungen jeweils eine andere Interpretation der vorhandenen Erkenntnismittel durch die Gerichte zugrunde. [...]