Vorübergehender Schutz

Anlässlich der Invasion der Ukraine durch Russland hat der Europäische Rat am 2. März erstmals das Vorliegen eines Massenzustroms von Vertriebenen im Sinne der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz (2001/55/EG, auch bekannt als "Massenzustromsrichtlinie") festgestellt. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, einen vorübergehenden Schutzstatus und Aufenthaltsrecht in Staaten der Europäischen Union zu geben. Die Situation für Personen, die in den Anwendungsbereich dieses Ratsbeschlusses fallen, unterscheidet sich grundlegend von der Situation von Asylsuchenden. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen und es ist keine individuelle Prüfung einer Gefährdung im Falle einer Rückkehr in die Ukraine notwendig. Das einzige, was geprüft wird, ist ob eine Person zu einer der Gruppen gehören, denen laut Ratsbeschluss der vorübergehende Schutz zugesprochen wird.

 

Für welche Personengruppen gilt der vorübergehende Schutz?

  • Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
  • Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben und
  • Familienangehörige der ersten beiden genannten Personengruppen (d.h. Ehegatten, unverheiratete Lebenspartner, minderjährige ledige Kinder und enge Verwandte unter weiteren Voraussetzungen), auch wenn sie nicht ukrainische Staatsangehörige sind
  • Personen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit, die sich vor dem 24. Februar 2022 nicht nur vorübergehend in der Ukraine aufgehalten haben, und entweder einen unbefristeten Aufenthalt in der Ukraine hatten oder die nicht sicher und dauerhaft in ihre Herkunftsländer zurückkehren können. Letzteres wird für die Staaten Afghanistan, Eritrea und Syrien angenommen, für Angehörige aller anderen Staaten erfolgt eine individuelle Prüfung durch die Ausländerbehörden.

Das Bundesinnenministerium ist der Auffassung, dass Personen, die neben der ukranischen Staatsangehörigkeit auch die eines EU-Mitgliedsstaates haben, nicht in den Genuss des vorübergehenden Schutzes kommen können. Dies ist aufgrund des Besserstellungsgebots des § 11 Abs. 14 FreizügG fragwürdig, wie Claudius Voigt in seinem FAQ (Frage 5) erklärt. 

Einreise und Beantragung des vorübergehenden Schutzes

Alle Personen, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben, sind für die ersten 90 Tage nach der Einreise nach Deutschland von der Erfordernis, einen Aufenthaltstitel zu besitzen befreit. Neben der Ermöglichung einer legalen Einreise – eine Option, die Menschen auf der Flucht in aller Regel nicht haben – hat dies den zusätzlichen Vorteil, dass ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz eine sogenannte Fiktionswirkung auslöst, und der Aufenthalt damit während der Bearbeitung des Antrags bereits als erlaubt gilt. Damit besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB und ein Zugang zum Arbeitsmarkt. Auf unseren entsprechenden Themenseiten finden Sie mehr Informationen zu den Themen Sozialleistungen und Arbeit für Menschen aus der Ukraine. Gerade für Personen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit ist wichtig zu wissen, dass diese Fiktionswirkung immer gilt, unabhängig davon, wie aussichtsreich der Antrag auf vorübergehenden Schutz ist.

Auch wenn bereits in einem anderen Staat der Europäischen Union der vorübergehende Schutz erteilt worden ist, besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Zuständig für die Entgegennahme der Anträge auf vorübergehenden Schutz ist die lokale Ausländerbehörde an dem Ort, wo die schutzsuchende Person in Deutschland untergebracht ist. 

In einigen Bundesländern kann der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch online gestellt werden. Um herauszufinden, ob das in einem konkreten Fall möglich ist, kann auf der entsprechenden Seite des Portals „Germany4Ukraine“ die Postleitzahl des Wohnorts angegeben werden.

 

Drittstaatsangehörige

Personen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit bekommen nur dann den vorübergehenden Schutz, wenn sie entweder einen internationalen Schutzstatus oder ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in der Ukraine haben, ukrainische oder international Schutzberechtigte Familienangehörige haben, oder wenn sie nicht sicher und dauerhaft in ihre Herkunftsländer zurückkehren können. Dies wird aktuell für die Länder Afghanistan, Syrien und Eritrea angenommen. In allen anderen Fällen muss die Unmöglichkeit der sicheren und dauerhaften Rückkehr im Einzelfall glaubhaft gemacht werden. Die Ausländerbehörden sind für die Entgegennahme entsprechender Anträge zuständig, aber das BAMF wird an dem Verfahren beteiligt. Es handelt sich hierbei nicht um ein Asylverfahren, sondern um ein Verfahren eigener Art. Deshalb sind auch die Rechtsfolgen eines solchen Antrages anders. Die Person ist nicht verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen und hat keine Aufenthaltsgestattung, sondern (nach erfolgter erkennungsdienstlichen Behandlung) eine Fiktionsbescheinigung, sofern sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig in Deutschland aufhielt. Alle Personen, die aus der Ukraine fliehen, dürfen sich 90 Tage rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Ein Antrag auf vorübergehenden Schutz, der in dieser Zeit gestellt wurde, löst eine Fiktionswirkung aus, die bestehen bleibt, bis über den Antrag entschieden wurde. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung wird in der Regel eine Fiktionsbescheinigung mit der Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit gestattet“ ausgestellt. Ab diesem Zeitpunkt haben die Betroffenen den gleichen Zugang zu Sozialleistungen und Arbeit wie ukrainische Staatsangehörige.

Auch ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck – beispielsweise zur qualifizierten Beschäftigung oder zum Studium – löst eine solche Fiktionswirkung aus. Anders als bei Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, können anderweitige Aufenthaltstitel, etwa zu Beschäftigungs- oder Bildungszwecken – erteilt werden, ohne dass die Person ausreisen und das Visumsverfahren nachholen muss. Dieser Aspekt kann möglicherweise Optionen eröffnen für Personen, die keinen Anspruch auf den vorübergehenden Schutz haben.

 

Rechtsfolgen des Aufenthalts zum vorübergehenden Schutz

Die Aufenthaltserlaubnis wird für die Dauer von einem Jahr ausgestellt, rückwirkend zum Tag der Einreise, frühestens allerdings zum 4. März 2022. Der Status des vorübergehenden Schutzes, der die Anspruchsgrundlage für die Aufenthaltserlaubnis ist, kann verlängert werden (zunächst bis zu zweimal für sechs Monate, anschließend nochmal für ein Jahr, für eine Gesamtdauer von maximal drei Jahre). Der vorübergehende Schutz kann auch jederzeit durch einen Beschluss des Europäischen Rats beendet werden. Wie es danach für die Geflüchteten aus der Ukraine weitergehen wird, ist noch unklar. Die regelmäßige Mindestaufenthaltsdauer für eine Niederlassungserlaubnis (fünf Jahre) wird jedenfalls alleine mit einer Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz nach derzeitiger Rechtslage nicht erreicht werden können.

Der Anspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB und der Zugang zum Arbeitsmarkt, die mit der Ausstellung der Fiktionsbescheinigung mit der Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit gestattet“ entstanden sind, gelten natürlich nach der Erteilung fort.

Die Aufenthaltserlaubnis wird mit einer Wohnsitzauflage versehen, für die die gleichen Bedingungen und Ausnahmen gelten wie für Personen mit Flüchtlingsanerkennung, subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbot. 

Es besteht keine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs und auch keinen Rechtsanspruch darauf. Die Zulassung ist allerdings auf Antrag (zu stellen bei der zuständigen Regionalstelle des BAMF, die Sie hier finden können) möglich.

 

Reisen

Wer eine Aufenthaltserlaubnis nach §24 AufenthG besitzt, darf für bis zu 90 von 180 Tagen in andere Staaten der EU oder der Schengen-Zone reisen, wenn man einen biometrischen Reisepass oder einen Reiseausweis für Ausländer hat und die Reise selbst finanzieren kann. Wer einen nicht-biometrischen Reisepass hat, benötigt in der Regel ein Visum. Allerdings erlauben viele Staaten zur Zeit Ukrainer*innen die Einreise auch ohne biometrischen Pass und ohne Visum. Im konkreten Fall ist es eine gute Idee, bei der Botschaft des Landes, in das man reisen möchte, zu fragen.

Wenn eine Person mit vorübergehendem Schutz in Deutschland in einem anderen EU-Staat vorübergehenden Schutz beantragt, erlischt der Schutzstatus in Deutschland nicht, wohl aber die Aufenthaltserlaubnis. Im umgekehrten Fall ist einer Person, die bereits vorübergehenden Schutz in einem anderen EU-Staat erhalten hat, auf Antrag vorübergehender Schutz in Deutschland zuzuerkennen, sofern sie auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt.

Eine Reise in die Ukraine führt nicht zum Erlöschen oder zum Widerruf des Schutzstatus oder der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG, es sei denn es handelt sich um eine Rückkehr aus nicht nur vorübergehendem Grund. Nach sechs Monaten Abwesenheit aus Deutschland erlischt die Aufenthaltserlaubnis.

Stand: Februar 2023

Links

  • Link zur Übersichtsseite "Informationen für Schutzsuschende aus der Ukraine" bei asyl.net u.a. mit den einschlägigen Rundschreiben des BMI.
  • Link zur Seite "Vorübergehender Schutz für aus der Ukraine geflüchtete Menschen" bei basiswissen.asyl.net.
  • Link zum Informationsportal "Germany4Ukraine" der Bundesregierung.
  • Link zur Seite "Aktualisierte Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine" des Flüchtlingsrats Niedersachsen
  • Link zum Handbook Germany mit Informationen zur Situation von Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind.
  • Link zur Seite des Roma Antidiscrimination Networks mit Informationen zur Problematik "Ukranische Staatsbürgerschaft und EU-Bürgerschaft"

Bitte beachten:

Aufgrund vielfältiger Gesetzesänderungen können einzelne Arbeitshilfen in Teilen nicht mehr aktuell sein. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich eine aktualisierte Version zu verlinken. Bis dahin bitten wir Sie, auf das Datum der Publikation zu achten und zu überprüfen, ob die Informationen noch korrekt sind.